Alles so schön bunt hier!


Frohe Ostern erst mal! Und damit zu der Sache mit den Buntstiften. Wobei ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich dieses Gesellschaftsphänomen, das ja unzweifelhaft unser Metier betrifft, überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Jetzt überrascht mich die SZ damit, dass der neue Trend „Malbücher für Erwachsene“ seit einiger Zeit die Hersteller von Buntstiften zu Überstunden zwingt. Ich mag zwar Buntstifte und deren Hersteller, aber leider ist die subtile Botschaft dahinter für mich mal wieder Anlass genug in einen sanften Kulturpessimismus abzudriften. Haben wir in unserer Erziehungsparanoia das Kinderzimmer mittlerweile so weit unter Kontrolle, dass wir uns als Doppelagenten vor lauter Langeweile selbst umdrehen?

Da kann ich einen Karl Lagerfeld verstehen, der es grauenhaft findet, wenn Eltern neben ihren Kindern auf dem Fußboden rumkrabbeln. So in einem Interview mit Johannes B. Kerner, der sich mit gespielter Empörung outet, dass er so was eigentlich sehr gerne mache. Worauf Lagerfeld antwortet, dass er ihm dass auch sehr gerne glaube.

Die Infantilisierung der Gesellschaft lässt sich schon deshalb kaum aufhalten, weil sich mit dem homo ludens 2.0 ständig neue Märkte erschließen lassen. Und was macht der Mensch nicht alles um die Zeit totzuschlagen? Vor der Wii herumkaspern oder im Urlaub als Paintball Wizard durch die Wälder stolpern, mit dem Fazit, dass sei eigentlich ganz witzig. Muss ich nicht verstehen, aber ich will es sehr gerne glauben. „Jede Jeck is anders!“ heißt es im Rheinischen Grundgesetz und Konrad Beikirchner hat das dankenswerterweise ins Hochdeutsche übertragen: „Übe Toleranz und Nachsicht dem anderen gegenüber, im Wissen um die eigene Unvollkommenheit.“ Alaaf! – Nun sitzen wir abends, wenn die kleinen Kinder im Bett oder die großen im Club sind, bei einem Glas Wein und malen ein Konturenmuster aus.

Um noch mal auf Nina Hagen zurückzukommen und für alle, die ganz bewusst ihren Farbfilm vergessen: buntmalen ist wahrscheinlich immer noch besser als TV-Glotzen.


SZ vom 22. März: „Buntstifte-Hersteller schieben Sonderschichten – wegen Erwachsenen“