Palaverpause


Neulich sitzen wir mit ein paar Leuten im Café¹ und unterhalten uns. Ich sage was, dazu fällt meinem Gegenüber P auch was ein und der übernimmt meinen Gesprächsfaden. Das heißt, er reißt den Faden eher beiläufig ab, wie man das halt so macht, entschuldigt sich höflich dafür, mich unterbrochen zu haben. Ich bedeute ihm, weiterzureden, was er kurz versucht, woraufhin ihm F, der neben mir sitzt, ebenso ins Wort fällt. P überlässt nun F das Thema, weist aber noch sanft darauf hin, dass er selbst mich bereits unterbrochen habe, doch jetzt ist F am Drücker und ich habe nun tatsächlich die zweite Hälfte meines Satzes längst vergessen. Wird nicht so wichtig gewesen sein, denkt man dann.

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Winterstille '24

Marienkapelle bei Auing


Leicht ist's, folgen dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Tross
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.

Aber abseits wer ist's?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen,
Das Gras steht wieder auf,
Die Öde verschlingt ihn.

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aus Goethes „Harzreise im Winter“

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Äquinoktium


„Indessen nahte der September heran. Die Felder waren leer, das Laub begann abzufallen, und mancher Hektische fühlte die Schere an seinem Lebensfaden. Auch Johannes erschien unter dem Einflusse des nahen Äquinoktiums zu leiden; die ihn in diesen Tagen sahen, sagten, er habe auffallend verstört ausgesehen und unaufhörlich leise mit sich selber geredet, was er auch sonst mitunter tat, aber selten. Endlich kam er eines Tages nicht nach Hause.“



Diese düster-romantische Textstelle findet sich in Annette von Droste-Hülshoffs Judenbuche, im Moment als Vorlesepodcast zu haben. So kann ich mich des Nachts, aus dem Schlaf aufgeschreckt, gleich wieder literarisch einlullen lassen, was am besten funktioniert, wenn man die Story schon kennt, nicht unbedingt zuhören muss.

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swer dirre wunne volget, …

Foto: AdobeStock


Dann und wann im Kalligrafie-Unterricht, beim Improvisieren, also wenn man zufällige Wortschnipsel aus dem Hinterkopf verarbeitet, geraten mir schon mal ein paar mittelhochdeutsche Vokabeln aufs Papier. Passiert jetzt häufiger, was daran liegen kann, dass ich nun ein angebliches „beklagenswertes“ Alter erreicht habe – wenn man dem von mir so geschätzten Walther von der Vogelweide glauben mag. Nun ja, eigentlich hält sich der philosophische Frust bei mir in Grenzen, aber einen Grund wird es schon haben, weshalb dessen Verse aus der Erinnerung aufblitzen.

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imagine


Weßlinger See, August 2023


Mit entspanntem Gemüt am See hocken und in einen Sonnenuntergang mit Wölkchen zu blicken, ist das Meditationsklischee schlechthin. Wenn sich der Gedankenstrom mit dem Treiben am Himmel synchronisiert, zerstreut sich das Gewohnte und macht, mit etwas Glück, Platz für eine neue Idee. Dann schnurrt die Imagination¹, unsere eigentliche Kreativkraft, die stets anregendes – sentimentales oder visuelles – Material sucht, egal aus welcher Sphäre es kommt, ob es uns nun erfreut, verblüfft oder verwirrt. Beispielsweise diese Herzen am Himmel, die man im Moment der Aufnahme gar nicht bemerkt, sondern erst, wenn man sich später in Ruhe das Foto anschaut.

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„Gleichgewicht“

„Gleichgewicht“, Collage mit 2 Radierungen …


Einige kleine Schnitzfiguren, eine größere Tuschezeichnung der Partenkirchner Ludwigstraße und ein Exponat ihrer letzten Ausstellung sind uns von Marie geblieben. Die Arbeit „Gleichgewicht“ hat nun einen schönen Platz gefunden, neben der Skulptur von Daniel Eggli, die wir von ein paar Jahren beim gemeinsamen Besuch in einer Münchner Galerie erworben haben. Auch so eine gute Erinnerung, dieser teure Kunstkauf, trotz Corona-Kalamitäten – damals ist irgendwie auch ein klitzekleiner Teil von Maries Seele in diese stille Figur hineingehüpft und macht sich seitdem bemerkbar.

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„swifter than the moon's sphere“

Foto: AdobeStock


„Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden, Begrüßt uns mit gewognen Händen!“

So lautet der letzte Satz im Epilog des Puck, er verbeugt sich, dann ist das Spiel aus. Und schneller als der Lauf des Mondes ist ein schöner Traum vorbei. Die Elfe ist nicht mehr da. Keine lustige Eselei mehr. Die Illusion perdu. Und dennoch hoffe ich fest, dass ein Modell „Heile Welt“ sehr nachhaltige Ressourcen bietet, allein durch die Rückschau auf das erlebte Glück.

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„Das Herz ist ein einsamer Jäger“

Wolke fotografiert von Sabine


Es gibt Romantitel, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen, womöglich weil sie sich wie ein Mantra im eigenen Lebensentwurf einnisten. Das Debüt der 23 Jahre jungen Carson McCullers heißt im Originalmanuskript noch „The Mute“, der Verlag ändert das in „The Heart Is a Lonely Hunter“. Selten ist der Blick von außen – als Feedback auf das fertige Werk – so segensreich wie in diesem Fall, denn erst dieser romantische Satz verkündet den amerikanisch-literarischen Blues, der uns motiviert ein Buch aufzuschlagen. Der Mensch hat Sehnsüchte – ich kann mich nur wiederholen.

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Circe vergiftet das Meer

Bildquelle Wikimedia Commons


Seit meinem Weihnachtseintrag 2021 hab‘ ich nun gut dreizehnmal das Wort Zauber verwendet. Das wäre für einen Schulaufsatz der Wiederholungen deutlich zu viel, aber im eigenen Journal darf man gelassen sein Denken beobachten und sich dann die Erkenntnisfrage stellen, die da lauten könnte: will man ernsthaft auf die Magie im Leben bauen? Wenn nein, wie wird man dann die herbeigerufenen Geister wieder los? Wie ein Zauberlehrling auf Entzug, so fühlt sich das an. Medizinisch nennt sich das „Brainfog“, wieder so ein neuzeitliches Phänomen, was einen Gefühlszustand beschreibt, wo die gewohnte Leichtigkeit futsch und der Kopf vernebelt ist, das Herz schwer wird. Womöglich, weil das abgestandene Glücks-Elixier einfach verdorben ist und nun wie ein Gift im Gemüt versickert.

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Advent, Advent, …*

Turmuhr am 7. Februar 2022


Den Trierer Dom ziert eine feine, goldene Textzeile, deren Bedeutung ich mir über die Eselsbrücke „Advent heißt Ankunft“ endlich gut merken kann. Wenn man’s überhaupt immer so genau wissen will. Wer vor einem Dom steht, verharrt auch ohne Lesekompetenz einige Zeit ehrfurchtsvoll draußen und lässt die Baukunst auf sich wirken. Der Blick nach oben zum Turm ist strategisch kalkuliert und die Andacht dabei nicht unangenehm. Gerne höre ich die warmen Glocken läuten, insbesondere, seitdem es für mich keine Aufforderung mehr darstellt, wie zu meiner Kindheit, wo der Kirchgang noch eine lästige Pflicht war. Diese Unverbindlichkeit ist wohl das, was mein Interesse wachhält – die Botschaft und der fehlende Glaube. Vor kurzem lese ich ein SZ-Interview mit Patti Smith, die ein ähnliches Faible für Kirchen als Orte der stillen Einkehr hat – ohne beim Kerzenanzünden ihre Punk-Mentalität zu verändern. Die Frau ist eben auch eine Poetin mit Antennen in alle Richtungen.

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