Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern


Wenn die Medien mal wieder nicht wissen, was sie machen sollen, wird das alte ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-Spielchen bemüht und heraus kommt eine dieser belanglosen Chartlisten. Aus diesem Larifari-Gemüt heraus hat die englische Daily Mail einmal mehr die Bundesliga auf dem Kieker und abschließend befunden, dass der HSV das hässlichste Logo der Welt hat. Das finde ich gemein, denn die Hamburger haben seit einigen Jahren wirklich Wichtigeres zu tun, als sich mit ihrem Grafikdesign zu beschäftigen. Und ganz abgesehen davon, dass mir persönlich die blaugefärbten Fußballvereine nicht besonders nahe stehen, finde ich das HSV-Logo von allen Bundesligaclubs immer noch am schönsten. Null Ahnung, was wohl englischen Sportjournalisten gefallen könnte. Möglicherweise will man das auch gar nicht wissen.

Ganz offensichtlich können in der „Jury“ keine Fachleute gewesen sein, denn rein formal ist das Zeichen für einen Fußballclub ziemlich cool – unprätentiös, hanseatisch, einprägsam. Im Vergleich zur Pseudo-Heraldik anderer europäischer Vereine hat der HSV ein geradezu modernes Logo². Dass die majestätischen Briten es lieber etwas pompöser haben, ist verständlich. Dass sie die maritime Signalsprache¹ nicht mehr verstehen, ist erbärmlich, aber auch symptomatisch. Dann kratzt sich das Schwein eben nicht an der stolzen Eiche, sondern am Schiffsmast, auch gut.

Bei harmlosen Verunglimpfungen gilt es, Haltung zu bewahren und den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren: Im Stadion, auf der Fanmeile oder in der Kneipe entsteht schließlich eine ganz eigene Vorstellung von Ästhetik, Farb- und Formgebung. Würde hier ein Modedesigner einem Ultra ernsthafte Stylingtipps geben wollen? Es ist alles in Ordnung, so wie es ist, und hoffentlich kommt kein Grafiker auf die Idee, an Bundesligalogos herumzufummeln.³



¹ „Blue Peter Flag“ – Signalflagge der internationalen Seefahrt = Schiff verlässt demnächst den Hafen.

„Bei der Gründung des HSV im Jahr 1919 schlossen sich drei Vereine zusammen: der SC Germania, der Hamburger FC und der FC Falke 1906. (…) Der SC Germania hatte die Farben Schwarz und Blau auf seiner Flagge, der Hamburger SC Blau und Weiß, und die Farben des FC Falke waren Schwarz und Weiß. (…) Auf die Raute fiel die Wahl, weil sie ein Symbol war, das oft im Zusammenhang mit der Hamburger Handelsschifffahrt verwendet wurde. Eine Vorlage bot auch das Flaggensignal Blauer Peter, eine weiße Flagge, die am äußeren Rand einen blauen Rahmen hat. Diese Flagge wurde gehisst, wenn das Schiff bereit zur Abfahrt war und alle Passagiere an Bord sollten.“ – aus: Hamburger Abendblatt, Kindernachrichten Wie entstand die bekannte HSV-Raute?



² Ein Spiel mit zwei simplen Formen plus eine 45-Grad-Drehung – fertig.

Bemerkenswert: Im selben Jahr der HSV-Vereinsgründung wird in Weimar der Grundstein für modernes Design gelegt. Es kann nur Zufall sein, aber die „abstrakte Logokunst“ ist erstaunlich verwandt mit Arbeiten zweier Bauhaus-Persönlichkeiten: Ittens Farbenlehre und der „Homage to the Square" von Josef Albers (s. Galerie unten).


³ Wenn man bedenkt, dass Ittens Farbenlehre wie auch Albers‘ Hommage ans Quadrat erst Jahrzehnte später publik werden, dann ist das HSV-Logo geradezu visionär. Könnte auch von von Anton Stankowski sein (s. oben). Selbst wenn man davon ausgeht, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, so zeigt sich doch, wie seiner Zeit voraus und fortwährend beständig ein nunmehr hundert Jahre altes Logo ist.

Und nur um das nochmal klarzustellen: Fußballvereins-Logos sind mir prinzipiell wurscht, aber wenn schon mal eins davon ganz zufällig ganz gut ist, dann lässt sich das durchaus begründen.