otl aicher, jahrgang '22

Original- Eintrittskarte der Olympiade '72


Heute wäre Otl Aicher 100 Jahre geworden. Da dieses Jahr die Münchner Olympiade ebenso ihr 50-Jahre-Jubiläum feiert, lässt sich leicht ausrechnen, dass Aicher im Jahr 1972 als künstlerischer Leiter dieses sportlichen Großereignisses, zuvor noch seinen Fünfzigsten feiert. Er und sein Team schaffen ein beeindruckendes Gesamtkonzept, beispielhaft für die neue „Visuelle Kommunikation“, ein ganz moderner Begriff in den Siebzigern. Toll, wenn nun einige Plakate im Nachdruck erhältlich sind, ich bin aber froh, mir vor langer Zeit ein paar Originale beschafft zu haben. Deren Anblick freut mich jeden Tag wenn ich ins Büro komme. Manchmal werde ich gefragt, ob das meine Arbeiten sind, dann verweise ich kleinlaut aufs Datum im Logo – da war ich gerade mal fünfzehn.

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(Con)temporary items – Calligraffiti


Was ich noch nachtragen muss: Das Münchner „Museum of Urban and Contemporary Art“, kurz MUCA, hatte letztlich eine feine Ausstellung mit internationaler Kalligrafie, die sich, durch ihre zeitgemäße Verbindung zur Streetart, jetzt den Begriff Calligraffiti gegeben hat. Mit dem Satz habe ich hoffentlich meine kryptische Headline aufgelöst ;-)

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Die gebrochene Existenz


Apropos Fraktur – das Thema im vorigen Beitrag gibt ja einen kleinen Einblick in unser typografisches Erbe, das allerdings keiner mehr antreten will. Sie hat nämlich einen ordentlichen Knacks weg, unsere Schrift, die wir Jahrhunderte lang als äußere Gestalt der Muttersprache gehegt und gepflegt und letztlich dann einfach vergessen haben. Die Erklärung für Ihr allmähliches Verschwinden ist banal und wenig geheimnisvoll. Formen sind irgendwann nicht mehr gefragt, Stile kommen aus der Mode. Gebrochene Schriften wurden nicht verdrängt oder verraten, sondern schlicht und ergreifend immer weniger benutzt. Nur weil es so schön ins Bild passt, sind sie allesamt durch die Nazidiktatur unter Generalverdacht geraten, wenngleich diese Größenwahnsinnigen sie rigoros abschaffen wollten. Die Gründe sind spekulativ, die medialen Konsequenzen waren aber bescheiden, denn im Zeitalter des Bleisatzes tauscht man nicht von heute auf morgen die Buchstaben aus.

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Jan Tschichold – Double Feature


Entweder so: Jan Tschichold, der frühreif-revolutionäre Typograf mit dem wertkonservativen Spätwerk, war mir immer etwas suspekt. Vor allem, weil in meinem orthodoxen Studium ausschließlich dessen klassisches Werk gepredigt wurde. Völlig unverständlich für einen jungen Menschen, was an diesem Buchstabengeschiebe so besonderes sein sollte. Des Rätsels Lösung: das Besondere lag einfach nicht mehr in der Absicht des alten Meisters. Tschicholds Publikationen boten den Studierenden ergo keine Lösungen, sondern waren Teil des Problems oder zumindest die größten Bremsklötze im Typografiestreit der Moderne.

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Zeichen und Wundertüten


Das Erscheinungsbild der Liberalen gibt es seit gestern in lustigen Farben. Was haben die nicht alles schon ausprobiert, um auf sich aufmerksam zu machen? Und immer wieder ist sie gleich verpufft, die heiße Luft. Und die gute Laune. Dabei gibt es in deren eigenen Reihen ein wackeres Fähnlein von PR-Fachleuten, Medienexperten und Unternehmensberatern und trotzdem mag ihnen kaum jemand die keck werbenden Botschaften abkaufen. Jetzt dieses typografische Knallbonbon. Ist es nicht fast ein bisschen traurig, dass diese Beratervölkchen sich selbst nicht zu helfen weiß mit seiner Beraterei?

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Die Handschrift als Backup im Kopf


Gelernt ist gelernt, aber gelesen ist nicht begriffen! – Die Neurowissenschaft belegt, dass manuelles Schreiben sehr viel intensiver die gelernte Schrift im Gehirn verankert, als eine Eingabe über die Tastatur oder das Lesen allein.

Der britische Neurologe Oliver Sacks schildert den Fall eines Mannes, der am Morgen wie üblich die Zeitung aufschlägt und feststellt, dass der Text völlig unverständlich ist. Es sind die vertrauten Buchstaben, doch ergeben sie keinen Sinn. Zuerst glaubt er an einen Jux seiner Freunde, doch wer sollte eine Zeitung derart aufwändig gefälscht haben? Obwohl er sich völlig normal fühlt, wird ihm schnell klar, dass es nur eine Erklärung für das Buchstabenchaos gibt: er muss in der Nacht einen Schlaganfall erlitten und infolge dessen das Lesevermögen verloren haben. So weit, so tragisch, aber jetzt kommt das eigentlich Verblüffende. Er nimmt sich einen Kugelschreiber und schreibt, so wie immer. Er kann das Geschriebene selbst nicht mehr lesen, aber er kann sich nach wie vor schriftlich mitteilen. Wie ist das zu erklären?

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Fuchs und Rabe

Foto Hannes Wolf on Unsplash


Normalerweise ist es so, dass Werbeagenturen für gute Werbung zuständig sind und Designbüros für gutes Design. Außerdem kann jeder machen, was er will und deshalb machen immer mehr Werbeagenturen auch Erscheinungsbilder. Manche sind gut, andere eher nicht, was aber hier nicht die Frage ist. Bemerkenswert scheint mir vielmehr der hyperaktive Drang um den Komplex Corporate Design, verbunden mit einem zunehmend nervösen Aktionismus. Erscheinungsbilder im Stresstest, mit einer Verfallszeit von unter drei Jahren?! – Ich fabuliere einfach mal:

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M – Eine Stadt sucht einen Mörder

retrospektive Fotocollage: HHE


Wer sich via Autobahn dem Münchner Flughafen näherte, sah sie schon von weitem, die edlen Versalien, plakativ, klar, unprätentiös. Und jetzt: Ende der Ausbaustrecke. Da hatte man mal ein herausragendes Gesamtkunstwerk aus Architektur, Technik und Typografie und schon kommt wieder so eine Branding-Bande angeritten und schießt aus der Hüfte mal kurz in den Ofen. Heraus kommt ein billig aufgebackenes M mit buntem Schrägstrich, programmatisch „Connector“ getauft. Sieht blöd aus, hört sich aber gut an und wird infolge dieser erbärmlichen Logik zum Vehikel einer Larifari-Unternehmensreligion: connecting people – immer wieder gerne gekauft.

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Kalligrafie und Methode


Aufgrund meiner eigenen positiven Erfahrungen halte ich das Schriftschreiben nach wie vor für einen unverzichtbaren Teil der Typografieausbildung. Unter dem Druck, mit der Softwareentwicklung Schritt halten zu müssen, werden handwerkliche Methoden allerdings von manchen Fachleuten eher als Zeitverschwendung angesehen. Deshalb war ich skeptisch, als sich die Münchner Montessori Fachoberschule (kurz MOS) für ihren Gestaltungszweig an Kalligrafieunterricht interessiert zeigte. Ist das Thema nicht wirklich längst durch?

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Hare Krishna & Calligraphy


Seit ein paar Jahren interessiert sich die breite Masse, darunter vor allem die U21-Fraktion, ernsthaft für so was Unscheinbares wie Typografie. Das wundert und freut uns Schriftgelehrte, hat aber einen einfachen Grund. Um der blöden Handystreichelei einmal etwas positives abzugewinnen: es sind auch die Smartphones, die das Auge für gutes Typodesign schulen. Da hat sich, dank Apple, ein richtig guter Standard eingeführt. Auf kleinstem Raum Inhalte gut strukturieren, nicht nur Lesbarkeit, sondern Leselust erzeugen, dass kann man eben nur mit professioneller Typografie. Wie sensibel der rotznasige User mittlerweile geworden ist, sieht man ironischerweise an Apples iOs 7, an dem dann heftig die blutarme Typografie kritisiert wird.

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