Fin de Siècle

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Da ich das Jahr 2025 mit dem Jugendstil begonnen habe, kann ich jetzt am Ende den Sack getrost zumachen. Camille Claudel ist natürlich (noch) keine Jugendstilkünstlerin, aber die Zeit der Jahrhundertwende prägt ganz erheblich ihr Schaffen. So ist in Paris nicht nur der Impressionismus ihres Mentors Rodin allgegenwärtig, sondern auch in der Gebrauchskunst die gusseisernen Fantasien eines Hector Guimard. Man möge mir verzeihen, wenn ich eine edle Bronze wie den „Walzer“ beispielsweise mit den Geländeausläufern der Pariser Métro vergleiche, aber eine gewisse Ähnlichkeit mit dem wallenden Kleid der Tänzerin ist unverkennbar. Was daran liegt, dass in jener Epoche, sowohl in der Kunst als auch im Design, das organische Prinzip der Natur nachempfunden wird. Was beim Ingenieur zum markanten Jugendstil wird, ist bei der Künstlerin formal noch völlig frei.

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Camille – Sternbild Schütze*

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„Ich hätte lieber einen attraktiveren Beruf. Wenn ich noch einmal meine Karriere wechseln könnte, würde ich das vorziehen. Diese unglückliche Kunst ist eher für lange Bärte und hässliche Gesichter als für eine relativ gut ausgestattete Frau gemacht.“ – Camille Claudel


Anfang der Achtzigerjahre bin ich auf meiner Parisreise sichtlich überfordert vom Format der Metropole. An einem Nachmittag findet sich dann unverhofft eine Oase der Ruhe in der Anlage des Musée Rodin, mit seiner wundervollen Gartenarchitektur und all seinen erlesenen Skulpturen und Plastiken. Hier hat man nur Augen für die „Bürger von Calais“, den „Denker“ oder die wuchtige Figur des „Balzac“. Obwohl die kleinen Tonmodelle und Vorstudien ebenso wunderbar sind. Allerdings ordne ich das gesamte Œuvre dem Meister allein zu, obwohl sich im Musentempel an der Rue de Varenne sicher auch zahlreiche Arbeiten von Camille Claudel befinden. Für diese außergewöhnliche Künstlerin bin ich zu diesem Zeitpunkt noch völlig blind – Asche auf mein Haupt. Jahre später sitzen wir mit Freunden andächtig im ARRI-Kino und lassen uns von Isabelle Adjani becircen.

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Kult(ur) der Eiszeit


Die Deutsche Post hat auch in diesem Jahr wieder sehr schöne, kleine Kunstwerke zum kleinen Preis, beispielsweise zu 95 Cent, die kann sich jeder leisten. Ich kaufe dann immer einen ganzen Batzen, damit ich meine Weihnachtsbotschaft auf analogem Wege verteilen kann. Die Weihnachtsmotive für Briefmarken sind allerdings selten ohne Heilige Familie zu haben, doch es gibt Alternativen: Das Design mit den eiszeitlichen Artefakten finde ich sehr gelungen. Zumal es auf mein Weihnachtsthema „Skulptur“ prima einstimmt. Außerdem mache ich mir immer mal wieder Gedanken, was denn nun den Menschen zuerst künstlerisch beschäftigt hat, Grafik, Malerei oder Bildhauerei?

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Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

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Der November, im französischen Revolutionskalender Brumaire = Nebelmonat genannt, ist vor allem für lebenserfahrene Erwachsene ein recht elegischer Zeitraum. Vielleicht weil man schon so viel Sentimentales darüber gelesen hat: „Im traurigen Monat November war's, die Tage wurden trüber, …“, so in der Art. Als Kind waren mir die Jahreszeiten noch alle gleich sympathisch, und der November bot mit dem Martinsumzug eine erste spannende Einstimmung auf behagliche Rituale, in einer Zeit ganz ohne Medienterror. Wenn man jetzt seine Alltagsabläufe Revue passieren lässt, ist es schwer vorstellbar, wie man damals ohne moderne Kommunikationsmittel den Tag organisieren konnte. Aber ist schnellere Datenverarbeitung grundsätzlich ein Segen?

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Kommt ein Wanderer des Wegs

Cover mit Hund Feldmann


Die Vorstellung des Daumenkinographen Volker Gerling hat mich auf wundersame Weise in die Achtzigerjahre zurückgeschickt. Wenngleich es künstlerisch keine Überschneidungen gibt, so ist doch das Wandern über die Langstrecke als Selbsterfahrung und vor allem das Zwischenmenschliche des Projekts recht verwandt mit dem, was Michael Holzach im Jahr 1980 unternahm.

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„Daumenkinographie“

„Mädchen mit langem und kurzem Haar“¹


Manchmal ist es von Vorteil, wenn die Erwartungshaltung nicht groß oder, besser gesagt, nicht sehr präzise ist. Meine Freundin Monika hatte mich in die Pasinger Fabrik gelockt, weil sie den Künstler hier mit seiner Performance schon mal erlebt hatte und völlig begeistert war. Ich wusste also aus ihrer Erzählung schon einmal grundsätzlich Bescheid, hatte aber keine rechte Vorstellung, was tatsächlich passieren würde. Und das war gut so. Übrigens habe ich auch gezögert, an dieser Stelle ein Video einzubetten. Ich kann versichern, dass es sehr viel schöner ist, die Sache live zu erleben. Und zwar als Teil eines Publikums, das sich gemeinsam die Zeit nimmt, um den Augenblick zu genießen. Denn darum geht’s. Gerling fotografiert den Augenblick, zerlegt in 36 Bilder.

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Die Macht der spitzen Feder

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Zugegeben, bevor mir der unten verlinkte Podcast zu Ohren kam, war mir dieser famose Zeichner nicht wirklich ein Begriff. Ich bin dann aber immer wieder überrascht und froh, wenn ich Belege dafür finde, dass Künstler, Grafiker, also Menschen, die man normalerweise nicht nach ihrer Meinung fragt, einen Einfluss auf den Lauf der Welt haben. Thomas Nast (1840-1902) war so einer. Der deutsch-amerikanische Karikaturist hatte im 19. Jahrhundert großen Einfluss auf die politische Kultur der Vereinigten Staaten. Geboren im bayerischen Landau und als Kind nach New York ausgewandert, machte Nast sich während des Amerikanischen Bürgerkriegs und der folgenden Jahrzehnte als Zeichner für das Magazin Harper’s Weekly einen Namen. Seine scharfsinnigen, oft schonungslosen Karikaturen machten ihn zum „Vater der amerikanischen politischen Karikatur“.

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Stolz und Vorurteil (III)

Der stolze David – Verkörperung der Republik



Die Weltgeschichte in ihren denkwürdigen Zyklen zu bewerten, ist verlockend. Man glaubt dabei, schnell ein Muster zu erkennen und daraus Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen. Nehmen wir nur den im vorherigen Eintrag behandelten Ausstellungsbesuch: Schon taucht man ein in die Sphäre des Römischen Imperiums und reflektiert dessen schleichenden Niedergang. Im aktuell eher trübsinnigen Gemütszustand ereilt mich da schnell die Furcht, in einer sehr ähnlichen, dekadenten Zeitblase zu schwimmen, wo eine vermeintlich mächtige, sehr gut aufgestellte Hochkultur sich mit Intrigen und Selbstgefälligkeit ahnungslos in strukturelle Gefahr begibt.

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Stolz und Vorurteil (II)

Das Römische als Leitkultur


„Wie leicht ist es, jede lästige Vorstellung von sich zu weisen und wegzuwischen, wenn sie uns nichts angeht, und sofort wieder völlig beruhigt zu sein.“ – Marc Aurel, Selbstbetrachtungen



Vor Kurzem besuchten wir im Rheinischen Landesmuseum zu Trier eine passable Ausstellung über Marc Aurel. Der hat sich zwar zeitlebens nie in „Augusta Treverorum“ blicken lassen, aber die deutschen Römerstädte haben schließlich freie Hand in ihrem Stadtmarketing. Und Marc Aurel ist eben populär, der Philosophenkaiser und Stoiker mit einem Standardwerk voller Spruchweisheiten. Das Publikum scheint mit entspannter Aufmerksamkeit das römische Gesellschaftsleben zu studieren, die Wohlfahrt und Harmonie unter der Regierung eines wohlwollenden und gerechten Kaisers. Ach, wie war doch alles in bester Ordnung. Eine prosperierende Hochkultur für alle. Ein Segen, dass dieses römische Erbe in uns genetisch verankert ist. Und zum Glück – auch das ist Teil der römischen DNA – schauen wir uns von anderen Kulturen der Welt zusätzlich noch vieles ab.¹

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Stolz und Vorurteil (I)

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Mein Blog scheint mitunter etwas widersprüchlich, was wohl in der lebhaften Natur der schönen Künste liegt. Einerseits empfinde ich diese bunte Parallelwelt als großes Glück, andererseits geht mir der selbstverliebte Kulturbetrieb dann doch wieder auf den Geist und ich geniere mich, dass ich nichts „Vernünftiges“ mache. Ein Künstlerkollege geht sogar so weit, dass er sein Metier bei neuen gesellschaftlichen Kontakten erst mal verleugnet, und obwohl er einen löblichen Abschluss der Münchner Kunstakademie vorzuweisen hat, antwortet er auf die Frage nach seinem Beruf sehr vage. Zuweilen behauptet er sogar, er arbeite bei Lidl. Und sei es nur, damit ihm kein leutseliger Dilettant die Belegfotos des eigenen Gepinsels stolz auf dem Smartphone vorführt. Also noch ein Dilemma, man ist gleichzeitig verschämt und arrogant.

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