anno illuminati '23

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Für Menschen, die ans Übersinnliche glauben oder gar zu Verschwörungstheorien neigen, könnte der Jahresanfang mit dieser „verfluchten 23“ einige Unruhe mit sich bringen. Da die Zahlenmystik in Kunst und Kommunikation schon immer einen dunklen Raum einnimmt hat, sei gleich verraten, dass geheimnisvolle Zahlen stets mit einem simplen, manipulativen Trick generiert werden. Zuerst setzt man eine Behauptung in die Welt und verkauft diese anschließend ohne Nachweis als Beobachtung. Die düstere Schlussfolgerung überlässt man perfiderweise dem Publikum.

Wer selektiv wahrnehmend im weiteren Verlauf auf irgendeine Zahl achtet, und sei es die 23, ist selber schuld. Im Nachhinein ergeben sich immer „merkwürdige“ Anzeichen. Genau das ist aber der Punkt, man wertet immer die Vergangenheit aus und jeder erfahrende Mensch weißt, wie manipulierbar die Vergangenheit im Allgemeinen und die persönliche Erinnerung im Besonderen ist.

Aber auch ein klarer Verstand lässt sich verblüffen. Die Welt ist so endlos reich an Zufällen, dass wir nicht mehr an den Zufall glauben wollen, wenn er zu oft passiert, wenn sich für uns eine verdächtige Häufung zufällig passender Muster ergibt. Letztlich entstehen und strukturieren sich in der Natur die Dinge wohl sehr oft nach einem gewissen Wachstumsprinzip, was nie wirklich chaotisch ist, sondern komplex geordnet ist und schon deshalb auf seine Art faszinierend. Eine natürliche Poesie eben, in der Maßverhältnisse und damit beispielsweise auch Fibonacci-Folgen enthalten sein können.

Hier stoßen große Geister dann auf wissenschaftlich wirklich relevanten Zahlenreihen, mit der sich Naturgesetze erklären und beweisen lassen. Dabei steht ein religiöser Glaube dem keinesfalls im Weg, sondern kann die stärkste Antriebskraft sein. Mein Paradebeispiel bleibt der gottesfürchtige Johannes Kepler, der von einer ewigen Weltharmonie ausgehend, für alles den mathematisch berechenbaren Beweis sucht. Ganz nebenbei schreibt er zum Geldverdienen auch Horoskope, ohne das besonders ernst zu nehmen. Wallensteins Todesjahr hat er zufällig noch richtig vorhergesagt, im großen Ganzen hat aber die Kooperation mit Hellsehern schon im Dreißigjährigen Krieg nicht funktioniert.

So ist die angebliche Illuminaten-Unglückszahl 23 mit Quersumme 5 eine aberwitzige Erfindung, die, künstlich mystifiziert, seit ein paar Jahren eine irrationale Karriere macht. Wer mehr wissen will, kann danach googeln, sei aber gewarnt: man gerät leicht in die verstrahlte Zone.

Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 14. Juli 2022, beschreibt das sogenannte „magische Denken“ sehr nachsichtig: „Schräge Macken, Aberglaube oder Alltagsrituale sind nichts, für das man sich schämen muss – sondern etwas zutiefst Menschliches.“ Einerseits könne es zu sehr hinderlichen Zwanghaftigkeiten führen, in kleinem Rahmen aber auch „im Alltag Halt und Orientierung geben“. Nun ja. – Der Autor Kolja Haaf schließt mit dem freundlichen Fazit:

„Die Macken sind einfach ein Ausdruck unseres inneren Kindes, das sich nach einer Welt sehnt, in der Magie existiert. Was sie nicht tut. Nur, um das nochmal klarzustellen.“