Bad Vibrations

„Maskottchen“ des Simplicissimus von T. T. Heine
Die Beach Boys hatten mit Good Vibrations ihren für mich coolsten Hit. Dabei geht der Titel auf eine Kindheitserinnerung des Bandleaders Brian Wilson zurück. Bei der Begegnung mit einem aggressiven Hund erklärt ihm seine Mutter die Sache mit den „Vibes“. Möglicherweise würde der Hund andere Leute gar nicht anbellen, es liege stets an den eigenen Schwingungen. Das dürften sich heute auch die Delegierten im Münchner Bayerischen Hof gefragt haben, als US-Vize Vance mit seinen aggressiven Phrasen hinter dem Rednerpult räsonierte. Devise: immer souverän bleiben! Und als Reaktion darauf vernehmlich zu knurren war schon mal ein Anfang. Dank an Boris Pistorius
Kultur und Vernunft gegen Gewalt und Dummheit
Die berühmte Bulldogge oben ist noch vom letzten Ausstellungsbesuch übrig und hängt jetzt als Postkarte an der Pinnwand im Atelier. Der Münchner Simplicissimus ist als Satirezeitschrift legendär und für mich als Grafiker eine Fundgrube für bissige Karikaturen und scharfe Gesellschaftskritik. Bereits 1896 gegründet, prangert sie seit der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik politische Missstände an, gerät aber unter den Nazis zunehmend unter Druck – was ein Euphemismus ist, denn ab 1933 lässt man sich – wie die Zeitschrift „Jugend“ – für völkische Propaganda missbrauchen. 1944 wird der Laden dicht gemacht. Ein guter Mann wie Thomas Theodor Heine hatte da längst das Weite gesucht, andere, wie Olaf Gulbransson oder Eduard Thöny sind sich für nichts zu schade. Auch hier weicht alles der rohen Gewalt, die vormals Kulturschaffenden machen aus ihren Herzen eine Mördergrube, kollaborieren und schauen zu, wie Europa in Schutt und Asche versinkt.
Jetzt scheint mir T. T. Heines Höllenhund genau das Charakterprofil zu bieten, das mein verzagtes Gemüt braucht, angesichts von Gegenwart und vorhersehbarem Zukunftshorror. Genau das passende Wappentier für einen, der vor Wut kocht und am liebsten widerwärtige Wahlplakate demolieren würde, was man natürlich nicht macht, weil es sich nicht gehört – oder gilt das nicht mehr?
Von deutscher Einfalt – Willkommen in der Klapsmühle
Zur Satireformaten der neuen Prägung, also Nachrichten-Parodien als Dauerlästersendung mit eingespielten Lachkonserven, habe ich schon deshalb ein gespaltenes Verhältnis, weil hier so ziemlich alles unter die Räder kommt und lächerlich gemacht wird, was, so ist meine Befürchtung, auch dazu beiträgt, dass wir wirklich vor jeder politischen Figur keinen Respekt mehr haben. Ich denke, die Gagschreiber*innen sind allesamt bereit für jeden billigen Witz ihre Großmutter zu verkaufen, bis dann am Ende keiner mehr Bock hat und sich mit seiner parlamentarischen Abfindung in die Industrie verzupft oder gleich ins Privatleben zurückzieht.
Gelegentlich aber ist die „Die Anstalt“ im ZDF eine niveauvolle Ausnahme vom übrigen Comedy-Geblödel. In der Sendung vom 11. Februar 2025 kümmert sich das Anstalts-Team um einen besonders hartnäckigen Fall von Politikneurose. Dabei muss man kurz vor Ultimo intern auch noch etwas improvisieren, weil Kollege Max Uthoff sich zuvor verbotenerweise öffentlich zur Linken bekannt hat und einmal aussetzen muss. Macht aber nix, diese Folge ist wirklich gut. Schlaue Satire gegen die Dummheit der deutschen Durchschnittswähler*innen. Die Moral: Egal, was man an Fakten auf den Tisch legt, ob freundlich vorgetragen, eindringlich oder mit psychologischer Betreuung, das Ergebnis bleibt dasselbe. Und am Ende geht die nächste Wahl komplett in die Hose.
Volker Pispers hat es in seiner unnachahmlichen Art früher schon einmal so formuliert, dass die einzige Qualifikation für die Teilnahme an einer Wahl darin bestehe, es geschafft zu haben, 18 Jahre nicht vom Auto überfahren worden zu sein. Dafür dürfen alle mitmachen, Hurra!
Die schräge Figur der Wähler*in im Video oben, im kauzigen Patchwork Kostüm eines modischen Wolpertingers, erinnert mich an die seltsame Illustration zu Grimmelshausens Roman, dem originalen Simplicius. Ein schrulliges Fabeltier, von dem man nicht weiß, ob es einfach nur ein bisschen dämlich aussieht oder am Ende doch auch gefährlich werden kann.
PS: „In Washington there is a new sheriff in town.“
Dass die USA ab heute keine Schutzmacht mehr sind, geschweige denn Freunde, zeigt uns der unsägliche Auftritt ihres Vizepräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Ein halbseidener Macho gibt sich als Nachhilfelehrer im Fach Demokratie. Noch so'ne Schießbudenfigur!
Tschüss und vielen Dank für gar nichts!