„Blaupause“ – Vom Mythos der Moderne

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Kürzlich komme ich endlich dazu, ein Buch zu lesen, das mir eine Schülerin schon vor einigen Monaten ganz begeistert in die Hand gedrückt hat. Und obwohl sie mir in ihren wenigen einführenden Sätzen so einige erzählerische Pointen verraten hat, verdirbt mir das nicht die Lektüre – der Bauhaus-Roman gefällt mir. Es gibt erstaunlich viele Rezensionen zu diesem Debütroman, die meisten positiv. Lediglich die Süddeutsche kritisiert, die Story habe keine Sogwirkung, was aus meiner Sicht aber ein rein subjektives Gefühl darstellt. Solche Einwände finde ich banal. Weiß der Himmel, welcher Stoff oder welche Erzähltechnik ein potenzielles Publikum begeistert?


Zwei Bücher, ein Erzählthema. Siehe auch Blog-Artikel Ende des Bauhausjahres


Das Bauhaus ist in der Designgeschichte eine dankbare Legende, nicht allein wegen der vielen Berühmtheiten wie Gropius, Klee, Kandinsky, Moholy-Nagy, etc. Theresia Enzensberger verwertet diese „Blaupause“ geschickt als Vorlage für eine gesellschaftliche Studie aus der subjektiven Perspektive einer jungen Frau, die im Jahr 1921 den außergewöhnlichen Wunsch hat Architektur zu studieren. Es geht um die Rolle der Künstler, Designer und Architekten, ihre unterschiedlichsten Weltanschauungen, ihre politische oder apolitische Haltung, in einer Zeit, da sich die Apokalypse langsam abzeichnet. Aber es geht vor allem um die Situation der Frauen, die sich selbst im Einflussbereich der freien und angewandten Künste nicht bedeutend progressiver darstellt als im verpönten Bürgertum. Die Protagonistin Luise Schilling macht da so ihre Erfahrungen.

Als Frau steht sie allenfalls in der zweiten Reihe, sozusagen als Backup männlicher Kreativität, auch eine Art Blaupause. Die Story hat dazu zwei Schlusspointen, die sowohl den Titel auflösen, als auch einen wichtigen Aspekt der gesellschaftlichen Ordnung illustrieren: die Macht der Menschen übereinander und wie sie damit verantwortlich umgehen könnten.

Die sehr klare Sprache liest sich angenehm leicht, sollte aber nicht dazu führen, den Text zu unterschätzen. Auf den 250 Seiten wird mit inhaltlicher Substanz und ohne literarische Schnörkel erzählt. Den Tiefgang kann man finden, wenn man will.


Theresia Enzensberger, Blaupause, 256 Seiten, Hanser Verlag