Die Welt ist schlecht, die Kunst ist gut


Zur Abwechslung mal was Schönes: die Street-Art-Ausstellung MAGIC CITY, derzeit in der kleinen Olympiahalle in München, sollte man sich nicht entgehen lassen. Weil es einfach gut tut, kraftvolle Bilder aufzusaugen, andere, als die im tagtäglichen Medienterror. Auch wenn es nur Visionen, Illusionen oder harmlose Täuschungen sind. Kunst mag ja wenig auf direktem Weg bewegen, aber sie hilft über vieles hinweg.

Die Welt ist zunehmend verseucht mit entsetzlich primitiven Vorstellungen. Die Welt ist schlecht, weil es böse Menschen gibt. Wenn allabendlich beim Intro der Tagesschau das unvermeidliche Bilderkarussell mit Trump, Erdoğan & Co. eingeblendet wird, möchte man am liebsten gleich abschalten. Ohne Sendepause ein zermürbendes Dauerfeuer negativer Signale.


MAGIC CITY – Die Kunst der Straße in München


Die Streetart lässt eine Kunst wieder auferstehen, die bereits im Barock besonders beliebt ist, eine Illusions-Malerei, die sich „Trompe-l’œil“ nennt und mit „Augentäuschung“ übersetzen lässt. Die Extrem-Form nennt sich dann „Anamorphose“, wie oben im Bild. Wer sich diesem Werk nähert, ist von seiner verzerrten Darstellung irritiert, aber von einem bestimmeten Standpunkt aus ergibt sich dann diese spektakuläre Wahrnehmung. Und so wird das Publikum auf einmal ein stimmiger Teil der Bildperspektive.¹

Es gibt aber auch andere Wege, sich mit der Realität auseinander zu setzen, das Geschehen zu beleuchten und zu kommentieren – und die Zuversicht zu bewahren. Street-Art wäre so ein Ansatz, der schlechten Vibes etwas Positives gegenüberstellt. Die Kunst der Straße tut gut. Auch wenn nicht jedes Graffiti an der Wand tatsächlich gut ist. Vieles ist noch nicht mal gut gemeint. Einiges davon ist allerdings wirklich grandios und MAGIC CITY dokumentiert in kompakter Form, was sonst auf der ganzen Welt verstreut oder versteckt ist, in der urbanen Subkultur oder ganz im Subversiven. Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die gegen die Vereinsamung, Verrohung und Verelendung der Menschen ein kritisches oder versöhnliches Zeichen setzen. Konspirativ oder in eigener Mission, offensiv im viralen Selbstdarstellungsmodus oder vorsichtshalber anonym wie die Heinzelmännchen von Köln. Allen voran Banksy, der große Unbekannte.

Spießige Zweifel, ob Street-Art noch Street-Art ist, wenn man sie in gepflegten Räumlichkeiten ausstellt, darf man sich getrost schenken. Wer dumm fragt, kriegt dumme Antworten.


MAGIC CITY – Die Kunst der Straße
München, Kleine Olympiahalle, Spiridon-Louis-Ring 21
13.04.-03.09.2017 (danach in Stockholm)

Fotos mit Genehmigung in der Ausstellung aufgenommen.



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.¹ PS 2019: Dazu mehr in der Ausstellung „Lust der Täuschung“ – Kunsthalle München