Die Winterlinde


… auf dem Rückweg vom Westfriedhof.


Münchens ältester Baum steht unmittelbar vor dem Westfriedhof. Die weitausladende Linde ist nach dem Landschaftsmaler Röth benannt, der sich in vorimpressionistischen Zeiten ausgiebig mit ihr beschäftigt. Meine ersten Jahre in München wohne ich in unmittelbarer Nähe und fahre jeden Tag zweimal an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. Besser spät, als nie …

Philipp Röth (1841-1921) gehörte zu den vielen deutschen Landschaftsmalern der Spätromantik, einem Zweig der Malerei, der – abgesehen von den ganz großen Namen – nie die höchste Wertschätzung genoss. So sind Werke von Röth heute zwischen 500 und 2.500 Euro wert, selbst Ölgemälde. In Darmstadt geboren, erhielt er dort auch seine künstlerische Ausbildung. Weitere Stationen waren Karlsruhe und Düsseldorf, bis er 1871 nach München kam, wo er schließlich an der Kunstakademie wurde. Bis zu seinem Tod wohnte er im Stadtteil Gern, fußläufig zur Winterlinde, liebster Arbeitsort für den Freiluftkünstler.


Nr. 2278 aus dem Werksverzeichnis – Schäfer mit Herde


„paysage intime“

Röth war bekannt für seine atmosphärischen Landschaftsdarstellungen, die oft die Stimmungen verschiedener Tages- und Jahreszeiten einfingen. Besonders das Dachauer Moos und die Umgebung von München dienten ihm als bevorzugte Motive. Vom Prinzregenten Luitpold wurde er 1903 mit dem Ehrentitel Königlicher Professor der Münchner Kunstakademie geehrt, das war dann wohl der Zenit seiner Karriere. Von den neuen, wirklich bedeutenden Kunstströmungen in der Stadt, scheint er nicht viel mitbekommen zu haben, war offensichtlich nicht sein Ding. In die Bewegungen des Jugendstils war er jedenfalls nicht involviert. Vom Impressionismus ist er nach meiner Einschätzung noch sehr weit entfernt, auch wenn das gelegentlich behauptet wird. Und für den Expressionismus des Blauen Reiter war er dann wohl im Alter kaum empfänglich.

Lange Zeit lag die Winterlinde nicht auf dem Weg. Beim Besuch des Westfriedhofs kommt man da jetzt häufiger vorbei und hält einen Moment inne.


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