Die Wirklichkeit der Bilder (1457)

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In der Kunstbetrachtung und -bewertung verliert sich die tatsächliche Werkentstehung oft im Anekdotischen. Wie Kunst konkret beauftragt und vertragsgerecht ausgeführt wird ist aber eigentlich viel aufschlussreicher, als die Deutung von mutmaßlich virtuosen Kompositionen. Kaum jemand hat so detailgenau diese Wirklichkeit recherchiert wie der britische Kunsthistoriker Michael Baxandell. Sein Standardwerk ist für jeden künstlerisch Berufstätigen erbaulich und tröstlich zugleich, zeigt es doch anhand vieler Originalquellen, Briefwechsel, Verträge oder Materiallisten, wie ähnlich zur Gegenwart, das Verhältnis zwischen Dienstleister und Auftraggeber in der Kunstszene der frühen italienischen Renaissance war.

Es ist zu allen Zeiten das alte Spiel. Kunst kostet viel Geld und wer zahlt, schafft an. Wenn also der Kunde eine gewisse Summe explizit für sündteures Ultramarin springen lässt, so ist es ganz natürlich, dass er sich auch über dessen ordnungsgemäßen Verbrauch versichert. Damit ist beispielsweise die Ausdehnung des Mariengewands schon mal auf den Quadratzentimeter genau vorgegeben. Und so was wird gegebenenfalls auch reklamiert.

Sachzwänge, Materialvorgaben, Kaprizen des Kunden, kommt mir alles bekannt vor. Überhaupt wurde sich erschreckend viel ins Konzept eingemischt. Ohne diplomatisches Geschick, Schmeichelei, Geduld und Rhetorik war man gegen die hohen Herrn verloren. Ganz so devot läuft das heute allerdings nicht mehr ab. Oder?

So schreibt Filippo Lippi an Giovanni di Cosimo de' Medici:

„Ich habe an dem Gemälde gearbeitet, wie Sie es mir aufgetragen haben, und mich gewissenhaft in jede Einzelheit vertieft ... Ich habe 14 Florin von Ihnen erhalten und Ihnen geschrieben, dass sich meine Kosten auf 30 Florin belaufen werden, zu welchem Betrag es kommt, weil das Bild reich an Ausschmückungen ist ... Wenn Sie zustimmen mir 60 Florin, inklusive Material, Gold, das Vergolden und das Malen zu geben, werde ich meinerseits, um Ihnen weniger Beschwerlichkeiten zu machen, das Bild etwa bis zum 20. August ganz fertigstellen. Um Sie unterrichtet zu halten, schicke ich Ihnen eine Zeichnung des Triptychons, wie es aus Holz gearbeitet ist, mit seiner Höhe und Breite. Aus Freundschaft zu Ihnen möchte ich nicht mehr als den Arbeitslohn von 100 Florin dafür berechnen: Ich verlange nicht mehr. Ich bitte um Ihre Antwort, denn ich sieche hier und möchte Florenz verlassen, sobald ich fertig bin. Wenn es ungebührlich ist, dass ich Ihnen geschrieben habe, bitte ich um Ihre Vergebung. Ich werde immer und in jeder Hinsicht alles tun, was Sie wünschen, Großes wie Kleines.“


Michael Baxandall, Die Wirklichkeit der Bilder – Malerei und Erfahrung im Italien der Renaissance, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin