Die Wirklichkeit der Bilder (1938)

Foto: IMAGO / teutopress


Der Totalitarismus benutzt Bilder im öffentlichen Raum als scheinheilige Werkzeuge der Propaganda. Vielleicht lässt sich ein kluger Mensch so schnell nichts vorgaukeln, wirklich schlauer ist er trotzdem erst hinterher, wenn sich aufklärt, ob die perfide Botschaft nicht eine ganz andere ist, als zunächst noch wohlwollend angenommen. Doch selbst eine Lüge transportiert gelegentlich ein Fünkchen Wahrheit.

Ein illustres Beispiel dazu ist der allererste Reklameprospekt unseres kultigen Volkswagens, damals noch KdF-Wagen genannt. Wir verlassen dabei das verminte Gelände der Propaganda und betreten den zivilen Bereich der Werbung, finden aber dennoch dieselben Mechanismen vor. Sie zu erkennen ist das Eine, ihnen zu widerstehen das Andere. Man kann sich kritisch fragen, welche Sehnsüchte, Triebe oder Ressentiments in einem instrumentalisiert werden sollen und trotzdem labil darauf reagieren. Ist der Geist willig, das Fleisch aber schwach, weiß man gleich woran es liegt. Was aber, wenn sich auch der regieführende Intellekt vernebeln lässt und alle Warnsysteme außer Kraft setzt – also Geist und Fleisch zusammen schwach werden?

So etwas passiert ausschließlich über Bilder, die sich in unseren Kopf pflanzen, zu Fantasien heranwachsen und unter Umständen zur fixen Idee werden. Auch die Sprache benutzt bildhafte Formulierungen, wenn sie besonders eindrucksvoll sein will. Aber ein substanzielles Bild ist in unserem Hirn nahezu unauslöschlich. Es befällt uns wie ein Virus.

Die wirkliche Macht der Bilder inszeniert sich spätestens mit Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr im Goldrahmen, sondern auf Plakatwänden und in Magazinen. Prospektmotive wie diese Urkäfer-Reklame lassen sich wie ein Gemälde interpretieren. Vielleicht so: Im Hintergrund wacht das stolze Familienoberhaupt am Häuschen im Grünen und drinnen (nicht im Bild) waltet die züchtige Hausfrau. Das dunkle Objekt der Begierde formatfüllend im Mittelgrund, bewundernd im Vordergrund der noch kindliche Stammhalter. Alles sauber gestaffelte Heile-Welt-Requisiten, großdeutsche Gebrauchsgrafik, scheinbar von der unschuldigen Sorte.



Wäre da nicht, quasi in vorderster Front, dieses unauffällige Spielzeug. Beschreibt der Illustrator damit ganz banal den zu dieser Zeit bereits üblichen Kinderalltag oder ist das eine unfreiwillige, ängstliche Vorahnung?


Lästige Bilder kann man in seinem Kopf eigentlich nur durch neue, ähnliche Bilder überschreiben. Und so setzt sich diese irrationale Erfolgsgeschichte der Werbung nach wie vor besonders in der Automobilindustrie fort. Anders wäre vieles nicht zu erklären.