Hare Krishna & Calligraphy
Seit ein paar Jahren interessiert sich die breite Masse, darunter vor allem die U21-Fraktion, ernsthaft für so was Unscheinbares wie Typografie. Das wundert und freut uns Schriftgelehrte, hat aber einen einfachen Grund. Um der blöden Handystreichelei einmal etwas positives abzugewinnen: es sind auch die Smartphones, die das Auge für gutes Typodesign schulen. Da hat sich, dank Apple, ein richtig guter Standard eingeführt. Auf kleinstem Raum Inhalte gut strukturieren, nicht nur Lesbarkeit, sondern Leselust erzeugen, dass kann man eben nur mit professioneller Typografie. Wie sensibel der rotznasige User mittlerweile geworden ist, sieht man ironischerweise an Apples iOs 7, an dem dann heftig die blutarme Typografie kritisiert wird.
Jugendliche haben über Ihre Medienaffinität einen sehr intensiven Umgang mit Design und Typografie. Und arbeiten gleichzeitig engagiert an ihrer Selbstdarstellung. Es ist also ganz natürlich, dass hier auch Neugier auf Spezialwissen und gestalterischer Ehrgeiz befriedigt werden will. Neue technische Möglichkeiten, die sich uns bieten, steigern das Niveau nicht von selbst. Es stellen sich damit auch neue Fragen. Schön, wenn es darauf eine Menge alte Antworten gibt, denn das grundsätzliche ist in der Schriftkunst schon zweitausend Jahre alt. Wer das Thema für sich entdeckt hat, der hört nie wieder auf, sich für die Ästhetik dieser Kunst zu interessieren und ist per se gegen die Hässlichkeitspest schlechter Typografie geimpft. Wer suchet, der findet, vielleicht sogar ohne etwas Bestimmtes im Sinn haben.
So wie Steve Jobs selig, der sich gerade als lustloser Student auf dem Campus treiben lässt und zwischen Hare Krishna und Langeweile spontan einen Kalligrafiekurs belegt. Ohne die geringste Idee davon, was ihm das jemals produktiv einbringen soll, nimmt er die Begeisterung für schöne Schriften einfach mit, um eine Ewigkeit später, seine Computer als die ersten der Welt überhaupt mit typografischer Qualiät auszustatten. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das sonst um uns herum aussehen würde.
Er erzählt diese Anekdote ausführlich in seiner berühmten Rede vor den Studenten der Stanford Universität (00:03:15).
Wer's in Ruhe lesen möchte, hier meine Übersetzung.