„Jede Zeichnung ein Blitzkrieg“

Foto: IMAGO / Hans Lucas


Heute ist Tomi Ungerer gestorben. Jüngster Spross eines Straßburger Uhrmachers und Fabrikanten für Turmuhren, welcher darüber hinaus für die astronomische Uhr des Münsters zuständig war. Wenn ein Leben mit einer solchen Parabel beginnt, muss was draus werden. Tomi Ungerer wurde einer der berühmtesten Zeichner der westlichen Welt. Ein Schriftsteller, Illustrator und Werbegrafiker, der mir mit seinem Gesamtwerk immer hundertprozentig sympathisch war, ohne dass mir alles gefallen hätte. Ein Charakter, der mich in seiner politischen und (a)moralischen Ausrichtung überzeugt, was ich aber auf die Schnelle nicht so leicht erklären kann. Ein wirklich grandioser Spiegel-Artikel nimmt mir die Arbeit ab. Hier ist alles geschmeidig aneinander gereiht, was mir selbst spontan nicht einfällt – und bei der Headline hätte ich zumindest gezögert …

Jede Zeichnung ein Blitzkrieg, von Arno Frank für Spiegel Online Kultur

Er ruhe in Frieden, der abenteuerlustige Elsässer und bekennende Europäer. Hat das Leben genossen, sich nix gefallen lassen und wahrscheinlich den Sensenmann noch angegrinst.

PS: 10. Juni 2022 – Ein Romantiker auf dem Lande

Eine der für mich wichtigsten Dokus über Tomi Ungerer wird nach seinem Tod auf arte wiederholt und ist nun glücklicherweise auf Vimeo verfügbar. Der Film gibt einen wirklich plakativen Einblick in sein künstlerisches Ausnahmetalent. Zu dieser Zeit hat er die USA verlassen und sich in Kanada auf einer Farm angesiedelt.


„Tomi Ungerers Landleben“ – ein Film von Percy Adlon (BR 1974)


Die Erstausstrahlung Ist mir sehr gut in Erinnerung, war spätabends im Ersten Programm, hat mich und sogar meinen Vater tief beeindruckt. Solch ein Grafiker will ich von da an selbst werden, ganz klar. Tags drauf frage ich meine Freunde, ob jemand den coolen Film gesehen hat, ist aber nicht der Fall und so bleibe ich mit meiner Begeisterung allein. So ist das damals. Vorbei ist vorbei.

Und jetzt, fast fünfzig Jahre später, wieder da. Ungerer, unter der Nazibesatzung gezwungen Deutsch zu lernen, ist frei von Ressentiments, ein wirklich charmanter Erzähler mit seinem elsässischen Tonfall. Im Film ist er mit Anfang Vierzig quasi auf der Hälfte seines Lebens angekommen. Er wird über 87 Jahre alt und hat ein buchstäblich sagen- und märchenhaftes Werk hinterlassen.