Keine Panik – willkommen im Chaos!

Alles nicht so einfach: das Universum, das Leben und der ganze Rest sind kompliziert. Auch wenn wir als Designer*innen stets bemüht sind, alles so einfach wie möglich zu halten oder darzustellen, damit jeder gut zurechtkommt und Gefallen findet an der kommerziellen Wirklichkeit. Tatsache ist, die Dinge werden immer verzwickter. Zudem wird die Welt nicht besser – auch das steht fest – und die Aussicht, dass diese Katastrophenwelt in Donald Trump im Jahr 2025 ein repräsentatives Oberhaupt findet, ist eine zynische Metapher, wie sie nur das gefühlskalte Leben selbst hervorbringen kann. Amerika, auf das man sich noch leidlich verlassen konnte, hat's wohl endgültig vermasselt.
Der Psychiater Josef Aldenhoff¹ hat kürzlich in der SZ einen genialen Gastbeitrag geschrieben (siehe unten), der sich damit auseinandersetzt, wie wir als Individuen eigentlich sehr gut mit komplizierten und frustrierenden Lebensumständen zurechtkommen, das aber das natürlich nicht unbedingt wollen und deshalb reflexartig den schlechten Vibes aus dem Weg gehen. Wer macht es sich schon gerne schwer? Die wertvolle Erkenntnis lautet aber, dass wir ziemlich viel aushalten können, wenn wir müssen. Man könnte so tun, als sei das Dasein ein Kinderspiel, aber man sollte nicht davon ausgehen. Das führt nur dazu, dass man am Ende blöd aus der Wäsche guckt.
So bin ich vorsichtig fatalistisch, konditioniere mich mit schwarzer Romantik und finde meine Ruhe. Der kluge Psychotherapeut sagt ja, man solle sich der Realität stellen – in Momenten, da man guten Mutes ist – und ansonsten sei es okay, sich auch mal die Decke über den Kopf ziehen. Nun denn, hier ein ultrakurzer Blick ins abstrakte Chaos und gleich der Abspann. Vorhang zu, Feierabend.
„Das Chaos sei willkommen, denn die Ordnung hat versagt.“ – Karl Kraus hat's schon immer gewusst.
Die „Rorschach-Katze“ oben im Titelbild schiebe ich schon seit vielen Jahren in meinem Computer von einem Ordner in der anderen. Jetzt hat es in diesem Mini-Clip einen Platz gefunden.
Auszug aus „Ich kann nicht mehr“, Gastbeitrag des Psychiaters Josef Aldenhoff¹ in der Süddeutschen Zeitung vom 12. Juli 2024.
(…) „Offensichtlich versucht die Regierung, unsere lieb gewordene Illusion nicht zu zerstören, wir könnten auf immer in der Komfortzone bleiben. Das ist verständlich, denn sie will wiedergewählt werden und meint es nicht böse. Noch wichtiger ist die Schaffung dieser Illusion aber für Parteien, die Böses im Schilde führen. Sie wissen, dass die Märchen von einer anderen, simpleren Welt verlockend klingen. (Jeder Therapeut weiß, wie verlockend einfache Lösungen für Erschöpfte klingen.) Stattdessen eine hochkomplexe Politik für die Herausforderungen des Kriegs in der Ukraine und in Israel, der Klimaerwärmung und der weltweiten Migration? Anstrengend. Aber wir haben keine andere Wahl. Wenn wir es versäumen, für unsere Werte zu kämpfen, die, öfter als wir glauben, immaterielle Werte sind, wenn wir stattdessen unser Vermeidungsverhalten fördern, so wird dieses Vermeidungsverhalten, wie Psychiater wissen, immer stärker werden. Bis es uns lähmt und wir in die Depression rutschen.
Was könnte helfen? Prinzipien sind gut für normale Zeiten, sie vereinfachen das Leben, weil wir nicht ständig neue Lösungen suchen müssen.„
„Aber wenn die Zeiten nicht mehr normal sind, taugen Prinzipien nicht viel.“
„Das Gegensatzpaar ‚Flüchten oder Standhalten‛, das Horst-Eberhard Richter erkannte, könnten wir heute so auslegen, dass mal das eine, mal das andere richtig ist. So haben die Menschen überlebt, von denen wir abstammen. Anpassungsfähigkeit macht uns aus, nicht das blinde Befolgen von Rezepten.
Wir müssen es also – ja, bis zur Erschöpfung und auch darüber hinaus – immer wieder herausfinden. Unverzichtbar ist dabei unser menschliches Erbe, die Empathie, aber auch der Mut, immer wieder unter Gebrauch unseres Verstandes neu zu entscheiden. Denn wir haben nicht nur Gefühle, so wichtig die auch sind. Wir haben auch einen Verstand. Sie mögen sagen: Der hat doch von Politik keine Ahnung. Dann mal als Psychiater: Schonen Sie sich in den Stunden, wenn es nötig ist – und konfrontieren Sie sich dann, bitte, jeden Tag wieder aufs Neue mit dem, was schwierig ist, sogar kaum erträglich, mit dem, was Ihnen Angst macht.
Es ist schwer. Aber: Wir können das."
__________
¹ Josef Aldenhoff, geb. 1948 in Dresden, einer der renommiertesten Psychiater in Deutschland, ist bekannt für seine Forschung im Bereich der Depression und seine Beiträge zur klinischen Psychotherapie.
PS: Apropos „Wir können das." …
Und schon hat sich in den USA das Blatt gewendet! YES WE KAM
PPS: Hat sich leider erledigt – Der Himmel sei mit uns!
Die Theorie der Dummheit