Krautrock & Co.


Kraan – mit zwei a – höre ich zum ersten Mal an einem trüben Nachmittag im Jahr ‘72. Die Band stellt im Radio ihre erste LP vor. Der Sender heißt SWF 3 und ist ständiger Begleiter unseres jugendlichen Musikinteresses. Hier werden die Songs auf UKW sauber ausgespielt, also ohne Radio-Luxemburg-Gelaber im In- und Outro, ideal für Tonbandaufnahmen. Mein Grundig TK 140 de Luxe läuft und ich knie auf dem Teppich vor zwei Quadratmetern Plakatkarton. Im Haus der Oma kann ich ein Zimmer für mein Gepinsel nutzen und gerade bin ich dabei fürs Jugendheim ein Woodstock-Poster zu kopieren. Etwas mühsam, mit den spröden Plakafarben von Pelikan. Den markanten Duft habe ich jetzt noch in der Nase – und im Ohr den Sound von Kraan, mit zwei a.



Die späten Kraan im Jahre 2005



Just in den Siebzigern gibt’s gegenüber auf der anderen Rheinseite in Muffendorf einen „verruchten“ Rockschuppen namens Underground, da riecht es verdächtig nach Hasch und Patschuli. Das erste Mal rücken wir – noch etwas verschüchtert – dort an, eben weil ich Kraan sehen will. Später hängen wir fast jedes Wochenende hier ab, erleben nicht nur Krautrock – coole Zeiten.



Die Begeisterung für mittelalterliche Kunst, Malerei und Lyrik habe ich mir erhalten. Etwas suspekt sind mir all diese Mittelaltermärkte und nachgestellten Events im Herr-der-Ringe-Modus. Insofern war auch eine Band wie Ougenweide bei mir irgendwann nicht mehr so recht kompatibel mit meiner Gefühlswelt. Dennoch, gelegentlich höre ich mir die alten Sachen (auf nachgekauften CDs) an. Und bedauere, dass mir ein Schulfreund aus dem Abschlussjahrgang '77 meine komplette Ougenweide Vinyl-Sammlung nicht wieder zurückgegeben hat … iemer mêre ouwê ;-)

Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!
ist mir mîn leben getroumet, oder ist ez wâr?
daz ich je wânde ez wære, was daz allez iht?
dar nâch hân ich geslâfen und enweiz es niht.
nû bin ich erwachet, und ist mir unbekant
daz mir hie vor was kündic als mîn ander hant.
liut unde lant, dârinne ich von kinde bin erzogen,
die sint mir worden frömde reht als ez sî gelogen.

die mîne gespilen wâren, die sint træge unt alt.
vereitet is daz velt, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer fliuzet als ez wîlent flôz,
für wâr mîn ungelücke wande ich wurde grôz.
mich grüezet maneger trâge, der mich bekande ê wol.
diu welt ist allenthalben ungenâden vol.
als ich gedenke an manegen wünneclîchen tac,
die mir sint enpfallen als in daz mer ein slac,
iemer mêre ouwê.


O weh, wohin sind alle meine Jahre verschwunden!
Ist mir mein Leben erträumt, oder ist es wahr?
Alles, wovon ich je glaubte, es sei etwas, war das etwas?
Demnach habe ich geschlafen und weiß es nicht.
Jetzt bin ich erwacht und es ist mir das unbekannt,
was mir zuvor so bekannt war wie eine meiner Hände.
Land und Leute, bei denen ich von Kindheit an auferzogen worden bin,
die sind mir fremd geworden, so als sei es erlogen.
Diejenigen, die meine Spielkameraden waren, sind jetzt träge und alt.
Umgepflügt ist das Feld, abgeholzt ist der Wald.
Wenn nicht das Wasser so fließen würde, wie es damals floss,
wahrlich, ich würde glauben, mein Unglück sei groß geworden.
Mich grüßen viele träge, die mich früher gut kannten,
die Welt ist in jeder Hinsicht voll von Unheil.
Wenn ich an viele angenehme Tage denke,
die mir verloren gegangen sind wie ein Schlag ins Wasser:
Immer wieder o weh!

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