Flatliners – dem Himmel so nah?

Ausschnitt – Bildquelle WikimediaCommons


Als römisch-katholischer Knirps war man gewohnt, an Allerheiligen oder Allerseelen mit der Familie auf den Dorffriedhof zu gehen, stets im Dunkeln, wegen der Lichterromantik, und zudem in Vorfreude auf den heiteren Laternenumzug zwei Wochen später zu St. Martin. Wenn ich heute vom Münchner Westfriedhof komme, dann scheint die Welt doch eher beklemmend und so reproduziere ich ganz gerne etwas von der naiven Nestwärme aus der Kindheit, was immer gut ist für die schwachen Nerven eines lebenserfahrenen Erwachsenen. Der begleitende Atheismus wird daneben zunehmend trostloser und wohl auch darum gibt es in letzter Zeit immer mehr jene publizistischen Versuche, für ein „Leben“ nach dem Tod eine wissenschaftliche Perspektive anzubieten.

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„Galoppierend oder fliegend“


Der Pegasus ist eine uralte klassische Allegorie und aktuell immer noch ein wunderbares Fabeltier. Obwohl ich mit Pferden nicht viel am Hut habe und auch kein großer Lyrikexperte bin, habe ich durch Heines Verse in „Atta Troll – Ein Sommernachtstraum“ in dem geflügelten Ross ein sehr poetisches Freiheitssymbol gefunden. Vor allem in einem Vierzeiler¹ habe ich mein künstlerisches Mantra entdeckt und darin, zumindest während des Studiums, eine fröhliche Antriebskraft gesehen.

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„Wo keine Götter sind, walten Gespenster.“

Sonne, Mond und Finsternis


Das Novalis-Zitat in der Überschrift passt gut in eine Welt, die zunehmend von allen guten Geistern verlassen scheint. Auf einen Götterhimmel voller Psychopathen, wie wir ihn aus den Sagen des klassischen Altertums kennen, können wir ohnehin getrost verzichten. Aber auch die Frage, ob es einen einzigen, allmächtigen Gott gibt, der vielleicht seine Hand schützend über die Menschheit ausstreckt, stellt sich für mich spätestens nach zwei gottlosen Weltkriegen nicht mehr.

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who am i?

A. D. 1500 – Auge in Auge


Dürers Selfie im Pelzrock gehört zu den berühmtesten der Welt, strotzt voller Selbstbewusstsein und ist in vielen Belangen geradezu anmaßend: ein arroganter und quasi „unanständiger“ Auftritt, denn dieses Renaissance-Genie gebärdet und kleidet sich wie ein Patrizier, obwohl es nur ein Maler ist. Vor etlichen Jahren hing im Nürnberger Hauptbahnhof das Konterfei als Großbanner an den Wänden und gelegentlich haben sich Reisende aus dem christlichen Ausland davor bekreuzigt, weil der Albrecht in seiner frontalen Symmetrie dem Heiland zum Verwechseln ähnlich ist. Keck auch der Doppelsinn seiner Initialen in Verbindung mit der epochalen Jahreszahl. – Hybris als Methode? Nicht ganz, Dürer steigt vor allem seiner unfassbaren Qualifikation wegen in die höchsten Kreise auf.

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codenames

Die Moderne in der Alten Pinakothek


In der Weihnachts- und Familienfreizeit konsumiert man gerne unbehelligt etwas Kultur. Der Andrang vor dem Eingang der Hypo-Kunsthalle hält sich in Grenzen, aber die Exponate im Flyer sind wenig verheißungsvoll. Eigentlich würde er sich lieber gern mal wieder einen originalen van Gogh ansehen, sagt der Sohn. So trotten wir weiter zur Alten Pinakothek – zurück zu den Wurzeln.

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anno illuminati '23

Illu: AdobeStock

Für Menschen, die ans Übersinnliche glauben oder gar zu Verschwörungstheorien neigen, könnte der Jahresanfang mit einer „verfluchten 23“ einige Irritationen mit sich bringen. Da die Zahlenmystik in Kunst und Kommunikation schon immer einen dunklen Raum einnimmt hat, sei gleich verraten, dass geheimnisvolle Zahlen stets mit einem simplen, manipulativen Trick generiert werden. Zuerst setzt man eine Behauptung in die Welt und verkauft diese anschließend ohne Nachweis als Beobachtung. Die düstere Schlussfolgerung überlässt man perfiderweise dem Publikum.

Wer selektiv wahrnehmend im weiteren Verlauf auf irgendeine Zahl achtet, und sei es die 23, ist selber schuld. Im Nachhinein ergeben sich immer „merkwürdige“ Anzeichen. Genau das ist aber der Punkt, man wertet immer die Vergangenheit aus und jeder erfahrende Mensch weißt, wie manipulierbar die Vergangenheit im Allgemeinen und die persönliche Erinnerung im Besonderen ist.

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Advent, Advent, …*

Turmuhr am 7. Februar 2022


Den Trierer Dom ziert eine feine, goldene Textzeile, deren Bedeutung ich mir über die Eselsbrücke „Advent heißt Ankunft“ endlich gut merken kann. Wenn man’s überhaupt immer so genau wissen will. Wer vor einem Dom steht, verharrt auch ohne Lesekompetenz einige Zeit ehrfurchtsvoll draußen und lässt die Baukunst auf sich wirken. Der Blick nach oben zum Turm ist strategisch kalkuliert und die Andacht dabei nicht unangenehm. Gerne höre ich die warmen Glocken läuten, insbesondere, seitdem es für mich keine Aufforderung mehr darstellt, wie zu meiner Kindheit, wo der Kirchgang noch eine lästige Pflicht war. Diese Unverbindlichkeit ist wohl das, was mein Interesse wachhält – die Botschaft und der fehlende Glaube. Vor kurzem lese ich ein SZ-Interview mit Patti Smith, die ein ähnliches Faible für Kirchen als Orte der stillen Einkehr hat – ohne beim Kerzenanzünden ihre Punk-Mentalität zu verändern. Die Frau ist eben auch eine Poetin mit Antennen in alle Richtungen.

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Once in a Lifetime – A Passion Play*

Vor dem Passionstheater


Bereits in meiner Kindheit wird mir auf Urlaubsreisen diese Passionssache zugeraunt. Ein legendäres Schauspiel, das nur alle zehn Jahre stattfindet – allein die Zeitspanne kann einen Kindskopf gehörig einschüchtern. Und dann diese historische Mär von Pest, Tod und Teufel und dem Dreißigjährigen Krieg, das sollte mich auch später nachhaltig beschäftigen. Die religiöse Gesinnung geht mir aber früh verloren. Nur gelegentlich meldet sich ein spiritueller Rest, den ich mir wiederum pfleglich bewahre, denn als Designer weiß ich, dass man flexibel bleiben muss – bis zum Schluss.

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Weizenfeld mit Kornblumen

Weizenfeld bei Auing


Es gibt herausragende Künstlertypen, die einen jungen Menschen überhaupt erst in das Künstlerische hineinziehen, sodass man erkennt, was einen wirklich ernsthaft interessiert und für sich beschließt, dass Kunst im weitesten Sinn ein größeres Thema im Leben sein soll. So ging's mir mit van Gogh, alias Kirk Douglas, hollywood-episch und in Technicolor. Nicht zu vergessen die Romanbiografie von Irving Stone, ein Taschenbuch, das zerlesen im Regal verstaubt, bis sie sich unser Ältester dann mal als Bahnlektüre in den Rucksack steckt. So vererben sich Hirngespinste.

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„Nebel Leben“

Innehalten im Nebel – Besucherin mit iPhone


Über das Haus der Kunst in München hege ich einen tiefen Argwohn, da bin ich wohl nicht der Einzige. Mag aber auch sein, dass Andere den gruseligen Nazitempel regelrecht imposant finden. Das wuchtige Raumangebot eignet sich ja besonders für Künstler*innen mit großer Wasserverdrängung, also Herrschaften, die viel Platz gewohnt sind. Wie beispielsweise die altehrwürdige japanische Künstlerin Fujiko Nakaya, zu deren Lobpreisung man aktuell das halbe Haus der Kunst leergefegt hat. Vielleicht können ihre flüchtigen Schwaden dieser seelenlosen Architektur ja wieder etwas Leben einhauchen. Und womöglich ist das Palindrom des Ausstellungstitels auch so gemeint.

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