Die binomische Kunstformel

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Warum macht der Mensch Kunst? Die halbe Wahrheit lautet: weil er es kann. Weil er es sich leisten kann und weil er es will, nicht weil er muss oder soll. Ein archaischer Antrieb eben, lustvoll und spontan, aus sich selbst heraus und nur für sich selbst. Selbstvergessen, nennt man das irreführenderweise, aber eigentlich vergisst man bei seinem Tun die Anderen. Wer einen Anfang gefunden hat, vergisst auch das Warum und zieht sein Ding durch. Ohne Kalkül, ohne Spekulation, ohne Strategie, zur Not ohne Geld. Kunst macht ja den Erzeuger nur selten reich und darum haben Kreative in ihrer Beziehung zum Kaufmann grundsätzlich das Nachsehen. Der Geschäftsmann wird sich beim Erwerb einer künstlerischen Dienstleistung die Hände reiben, der Seiltänzer hingegen lebt vom Applaus und ist froh, wenn er wenigstens nicht abstürzt.

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Die Wirklichkeit der Bilder (1457)

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In der Kunstbetrachtung und -bewertung verliert sich die tatsächliche Werkentstehung oft im Anekdotischen. Wie Kunst konkret beauftragt und vertragsgerecht ausgeführt wird ist aber eigentlich viel aufschlussreicher, als die Deutung von mutmaßlich virtuosen Kompositionen. Kaum jemand hat so detailgenau diese Wirklichkeit recherchiert wie der britische Kunsthistoriker Michael Baxandell. Sein Standardwerk ist für jeden künstlerisch Berufstätigen erbaulich und tröstlich zugleich, zeigt es doch anhand vieler Originalquellen, Briefwechsel, Verträge oder Materiallisten, wie ähnlich zur Gegenwart, das Verhältnis zwischen Dienstleister und Auftraggeber in der Kunstszene der frühen italienischen Renaissance war.

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Goyas Geister im Künstlerhaus


Goya hat uns vier Radierzyklen hinterlassen, die allein vom Umfang schon eine rauschhafte Größenordnung darstellen: „Los Caprichos“ mit 80 Blättern, „Desastres de la Guerra“ mit ebenfalls 80 Blättern, „Tauromaquia“ mit 40 Blättern und schließlich „Disparates“ mit 22 Blättern. Eine Ausstellung in dieser Vollständigkeit ist natürlich ein absolutes Muss.

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Die Poesie der Zwischenräume


Kunst gilt als unverbindlich, Wissenschaft als berechenbar. Aber auch dort gilt, was nicht passt, wird passend gemacht. Beispielsweise braucht unsere Erde für eine vollständige Umdrehung tatsächlich ein kleines bisschen länger als 24 Stunden. Um diese Maßdifferenz zu kompensieren – so war zu hören und zu lesen – wird in diesem Sommer mal wieder eine sogenannte Schaltsekunde eingeschoben. Das merkt kein Mensch und die Statistik geht wieder sauber auf. Ein glattes Ergebnis ohne blöde Nachkommastellen. – Was auch immer die Welt im Innersten zusammenhält, es scheint jedenfalls, dass in den Fugen noch etwas Luft ist.

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Aerial Views von Bernhard Lang

Foto Bernhard Lang


Als Bernhard Lang vor Jahren neben seiner kommerziellen Arbeit die Welt von oben entdeckte, nahm er sich damit als Fotograf die Freiheit, die einem die Kunst nur dann gewährt, wenn man das Spekulative völlig außer Acht lässt.

Seit er nun immer mehr Erfolg damit hat, wird er nach Erklärungen und Botschaften befragt. Verständlich, aber überflüssig, denn seine Fotografien sind keine Werke, die über eine Legende auflöst werden müssten. Der Zauber liegt wieder ganz im Auge des Betrachters. Langs Motive beeindrucken durch ihre Klarheit und immer wieder neue Strukturen.

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Zu Lande, zu Wasser und in der Luft

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Die Erinnerung ist eine Laune der Natur und wer versucht, Glücksmomente zu reproduzieren, indem er sich DVDs seiner vorzeitlichen Kultfilme beschafft, wird nicht selten enttäuscht. Warum ist das so? Sind da etwa, heimlich, still und leise die eigenen Ansprüche gewachsen? Ich komme darauf, weil sich mir natürlich der Vergleich aufdrängt zwischen Mike Leighs aktuellem Film über William Turner und dem von Peter Schamoni über Caspar David Friedrich. Hat mich im Jahr 1986 als Kinofilm begeistert, reloaded auf dem iPad, wirkt der ganze Dreh und die Dialoge doch etwas betulich und altklug.

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Mr. Turner – Meister des Lichts

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Mike Leigh hat die letzten Jahre im Leben des Joseph Mallord William Turner verfilmt. Ein überlanger, eindrucksvoller Kinofilm mit großartiger Fotografie, beschaulich und anekdotisch, authentisch und ein wenig trostlos – Turners Leben war wohl so.

Der Film beginnt mit tiefgründiger Szenerie: morgendlicher Dunst über flämischer Flusslandschaft mit Mühle. Zwei Mägde nähern sich schwatzend. Als sie durch Bild gehen, kommt am anderen Ufer im Gegenlicht die Schattenfigur eines korpulenten Zeichners mit Zylinder ins Blickfeld. Sie gehen vorbei, ohne ihn wahrzunehmen. Turner, in die Arbeit vertieft, einsam auf weiter Flur.

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Von Scheinwelten und tragenden Brücken

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Die Kraft der Zeichen und Symbole ist uns ständig bewusst, aber nie ganz geheuer. Wenn der Mensch keine klaren Fakten hat, dann will er orakeln, deuten und spekulieren. Allerdings empfinden wir im Ungewissen je nach persönlichem Temperament sehr unterschiedlich. Und damit ist die Welt der Symbolik variabel für diffuses Wunschdenken und Illusionen oder eben Sorgen und Ängste. Das kann man künstlerisch sublimieren oder werblich instrumentalisieren. Die Frage ist, wie weit unsereins das Spielchen treibt und ab wann man sich möglicherweise mehr Misstrauen und Ablehnung einhandelt, anstatt die gewünschte Aufmerksamkeit und Begeisterung zu erzielen.

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Die Schönheit im Auge des Betrachters


Manchmal hat man Mühe, die banalen Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Es gibt aber auch Momente, wenn plötzlich etwas Edles aus dem Nichts auftaucht, etwas das es eigentlich nicht gibt, und sich doch im Kopf zusammenfindet. Und sich wieder zerstreut. Wie in dieser Rasterfahndung nach Echnatons Gemahlin. So eine geraubte Schönheit der Kunstgeschichte. Wem gehört sie nun wirklich?

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Portrait versus Mugshot

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Manch einer, der sich wie unsereins ein Leben lang mit Bildern und Darstellungsweisen beschäftigt, hat zuzeiten das trostlose Gefühl, dass sich vieles von selbst nihiliert, weil es mittlerweile von allem so unerträglich viel zu sehen gibt. Spielen die Jahrtausende alten Ideale überhaupt noch eine Rolle, oder gibt es nur noch ein einziges chaotisches Durcheinander von im besten Falle belanglosen Handyfotos?

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