Markenzeichen oder Stigma?


Die Legende vom tollen Käfer gehört zu den beliebtesten Vor- und Nachkriegsmärchen der deutschen Automobilindustrie. Leidenschaftlich romantisiert, liebevoll geschönt. Dabei war der „Volkswagen“ ursprünglich nicht mehr, als eine krasse Fehlkalkulation, ein Produkt, das zum Katalogpreis definitiv nicht herzustellen war. Und damit eine Verbrauchertäuschung, denn tausende von „Volksgenossen“ wurden um ihre gesamten Ansparzahlungen geprellt, ohne das jemals ein „KdF-Wagen“ zugeteilt wurde. Bekanntermaßen war ja ab 1939 Schluss mit der „Kraft durch Freude“, da musste das junge Unternehmen Granaten und Minen produzieren.

Die Zeit der Bomben und Granaten ist vorbei, nun werden Rangkämpfe ganz sportlich auf dem weiten Feld der halbwegs zivilen Wirtschaft ausgetragen. Nicht Wenige haben derzeit das dumme Gefühl, ausnahmsweise mal an eine Verschwörungstheorie glauben zu müssen. Mir geht so was grundsätzlich gegen den Strich, aber es sieht fast so aus, als hätten sich die ehrenwerten Herrschaften der globalen Automobilindustrie etwas in die Haare gekriegt.

Dabei möchte man doch immer erst an das Gute glauben. An anderer Stelle hatte ich noch behauptet: „Jede kernige Firma arbeitet grundsätzlich zuerst an ihrer Qualität und kommuniziert diese nach außen über ein zeitgemäßes Corporate Design.“ Wie peinlich eine zur Schau gestellte Corporate Identity werden kann, zeigt am heutigen Tag die Bildzeitung, ausgerechnet in ihrer Deutsche-Einheit-Jubelausgabe: eine ganzseitige VW-Anzeige nach der anderen, deren Texte sich nach Anzeigenschluss nicht mehr verhindern ließen – teuer bezahlte Realsatire. Das Geld hätte man gut für die US-Kanzlei Kirkland & Ellis brauchen können.

Die deutsche Autoindustrie kann sich praktisch alles erlauben. Sie verkauft uns uns Spritfresser, Luxuskarossen oder Familienkutschen und jeder Hersteller hat eine treue Gefolgschaft, die ihm alles verzeiht – vielleicht auch den Beschiss. Warum also sollte man von diesem Industriezweig moralische Grundsätze erwarten? Er ist das direkte Spiegelbild unseres launigen und ebenso unberechenbaren Verbraucherverhaltens. Kein Grund sich zu beschweren.

Mein vorvorletzter, völlig ahnungsloser Blogeintrag