Mein schönes Bild der Welt

GEO-Heft Nr. 8/79


GEO – „Das neue Bild der Erde“, so der Untertitel. Auf diese Textzeile hat man später verzichtet, gefiel mir aber. Das Ganze war sehr nobel aufgebaut, Reportagen und Fotos wie geleckt, auf gutem Papier, im Bogenoffset, nicht die Massenauflage im üblichen Tiefdruck wie im Stern.

Wegen meines persönlichen Holzach-Revivals habe ich mir die erste Ausgabe, an die ich mich so prägnant erinnere, mal wieder per eBay besorgt, fast neuwertig, noch mit den originalen Beilegern. Und: Mal wieder ein Glücksgefühl, das in meiner Erinnerung auftritt, wenn ich an das erste Blättern in dieser Zeitschrift denke. Der Schriftzug, die Fotografie, der Reportagestil – die feine Ordnung. Im Sommer ’79 habe ich gerade als Praktikant in der Werbeagentur Dynewski eingecheckt und beginne ganz vorsichtig, mich für Typografie zu interessieren. Der GEO-Schriftzug erschein mir intuitiv auf eine ganz klassische Art perfekt, überhaupt die komplette Titelseite, unprätentiös, aber stilvoll, und mit seinem gesunden Grün sehr lebendig und kraftvoll.



Eine klassische Wortmarke, die so unauffällig überarbeitet ist, dass man glaubt, es hätte sich von selbst so gefügt. Stimmt auch fast, denn Ausgangspunkt ist nach meinem Gefühl ganz deutlich die „Times New Roman“. Manche mutmaßen die „Trajan“, die in den Siebzigern aber noch gar nicht auf dem Markt war (Carol Twombly, 1989). Bei der Times (rechts unten) musste man nur ein wenig an den Serifen herumfieseln, fertig war die GEO-Marke.

Tatsächlich alle Artikel sind mir in Erinnerung, insbesondere natürlich die Reportage über dieses seltsame Volk der Hutterer, einfühlsam fotografiert von Timm Rautert. Er und Holzach haben sich damals gesucht und gefunden, und augenscheinlich hatten die beiden auch kein schlechtes Leben. Immer auf Spesen, beim „Stern“ und der „Zeit“.

Aber auch alle anderen Artikel im Heft haben ihren Platz in meiner gedanklichen Wunderkammer. Ein ziemlich ekliger Aufmacherartikel über Dogfights, der mich sehr früh an der geistigen Gesundheit der Durchschnittsamerikaner*innen zweifeln lässt, weiter eine farbintensive Darstellung Indiens mit meinem Fazit, dass ich da nie hin will. Und ja, München: „Grant mit Bieren“ – Bilderbogen einer überkandidelten Stadt, die mir nicht besonders sympathisch schien – da wollte ich nun gar nicht hin. Und genau hier würde ich die längste Zeit meines Lebens verbringen.

„Das neue Bild der Erde“ sollte heißen, die Welt steht dir offen: Das war die Botschaft hinter dem stylischen Layout. Eine Welt voll Schönheit, die sich ständig weiter zum Positiven entwickelt. Man nimmt die Missstände in sauberer Bildsprache und klarem Text zur Kenntnis, um eins nach dem anderen wieder in geordnete Bahnen zu bringen. Selbst der Bericht über das touristisch verwahrloste Pompeji hat eine versöhnliche Perspektive. Man würde sich da schon drum kümmern.

GEO-Heft Nr. 8/79 in der Hochzeit der Printjournale, als das deutsche Verlagswesen noch solide war und voller Euphorie. Jene Ausgabe ist rein zufällig in meine Hände geraten und wird dennoch zum Paradebeispiel dafür, was einem im Leben so über den Weg läuft, um rückblickend an Bedeutung zu gewinnen. Imagines Agentes – Wirkmächtige Bilder, mal wieder.


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