Zefixhalleluja!

Auf dem Ilsenstein


O Zeit der Zeichen und Symbole und leeren Verheißungen! Wenn es kein Geld gibt, werden blecherne Orden verliehen und wenn der Feind an den Grenzen lauert, gibt das Volk sein Gold für Eisen. Nun sammelt sich das bayerische Kabinett zum kleinen Kreuzzug für die absolute Mehrheit und zeigt allen Ungläubigen die Werkzeuge. Zur Kreuzigung? Bitte ins nächste Dienstgebäude – jeder nur ein Kreuz!

mehr …

Die Digitalisierung der Romantik


Ob's edler im Gemüt
die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden?
Oder sich waffnend gegen eine See von Plagen
durch Widerstand sie enden? …


Ja oder Nein, Sein oder Nichtsein, Like oder Dislike? Immer dieses binäre Muster. Da bringt die Digitalisierung nichts Neues in unser romantisches Wahrnehmungssystem. Und dennoch: Stünde einem zaudernden Hamlet statt seiner schwerfälligen Gefährten doch nur ein leistungsfähiger Algorithmus zur Seite, vielleicht ließe sich das Drama auf drei Minuten komprimieren? Wie auch immer, die theatralischen Zweifel behält man besser für sich, Skepsis verkauft sich schlecht. Der Medienprofi sieht dem digitalen Zeitalter gelassen entgegen und behält seine privaten Internet-Horror-Visionen still für sich, inmitten der Nebel von Positivismus und Selbstverleugnung.

mehr …

„Blaupause“ – Vom Mythos der Moderne

Foto: AdobeStock


Kürzlich komme ich endlich dazu, ein Buch zu lesen, das mir eine Schülerin schon vor einigen Monaten ganz begeistert in die Hand gedrückt hat. Und obwohl sie mir in ihren wenigen einführenden Sätzen so einige erzählerische Pointen verraten hat, verdirbt mir das nicht die Lektüre – der Bauhaus-Roman gefällt mir. Es gibt erstaunlich viele Rezensionen zu diesem Debütroman, die meisten positiv. Lediglich die Süddeutsche kritisiert, die Story habe keine Sogwirkung, was aus meiner Sicht aber ein rein subjektives Gefühl darstellt. Solche Einwände finde ich banal. Weiß der Himmel, welcher Stoff oder welche Erzähltechnik ein potenzielles Publikum begeistert?

mehr …

avenidas sin mujeres

Foto-Illustration: HHE


Die wenigsten Menschen haben ein Faible für Lyrik. Dass nun ein Gedicht die öffentliche Meinung beschäftigt ist kurios – zumal es sich um ein ausgesprochen defensives, kryptisches Wortgebilde der „konkreten Poesie“ handelt. Der AStA einer Berliner Hochschule jedoch protestiert seit zwei Jahren gegen das Gedicht „avenidas“, das in plakativer Typografie auf der eigenen Hausfassade steht, weil er dem nebulösen Text eine sexistische Deutung gibt. Die wenigen spanischen Vokabeln sind leicht zu übersetzten, aber jeder versteht da was anderes. Trotz vieler Vermittlungsversuche aus der Kunst- und Literaturszene wird schließlich dem Protest stattgegeben und man geht mit puritanischer Konsequenz an die Wurzel. Die „Schrift an der Wand” wird ausgelöscht. Kunst lebt zwar von der Vieldeutigkeit, aber damit kommen offenbar nicht alle zurecht.

mehr …

Flitcraft und der blinde Zufall

Fotovorlage: AdobeStock


„Er, der gute Bürger, Ehemann und Vater konnte rein zufällig so zwischen Büro und Restaurant von einem herabstürzenden Balken ausgelöscht werden! Da ging ihm auf, dass Menschen durch Zufälle wie diesen starben und nur lebten, solange sie der blinde Zufall verschonte.“

Diese mulmige Erkenntnis entstammt Dashiell Hammetts Detektivklassiker „Der Malteser Falke“. In regelmäßigen Abständen, wenn mal wieder in persönlicher oder räumlicher Nähe ein Beinahe-Crash passiert ist, meldet sich diese kleine Parabel in meinem Oberstübchen zurück. Dann schreibt die Realität ähnliche Geschichten wie sie in der Literatur vorkommen und macht mir wieder deutlich, dass es genauso gut umgekehrt funktioniert: Das wahre Leben mit seinen tödlichen Späßen findet Eingang in die Fiktion und dann eben auch irgendwann wieder heraus. – Ein geniales Beispiel für dieses künstlerische In-And-Out ist jener Fall des Mr. Flitcraft, der dem Schriftsteller Hammett in seinem Vorleben als Detektiv genauso widerfahren ist.¹

mehr …

(Con)temporary items – Calligraffiti


Was ich noch nachtragen muss: Das Münchner „Museum of Urban and Contemporary Art“, kurz MUCA, hatte letztlich eine feine Ausstellung mit internationaler Kalligrafie, die sich, durch ihre zeitgemäße Verbindung zur Streetart, jetzt den Begriff Calligraffiti gegeben hat. Mit dem Satz habe ich hoffentlich meine kryptische Headline aufgelöst ;-)

mehr …

Erinnerung an Jochen Schlemmermeyer


Mein Kollege Schlemmermeyer ist ein sehr angenehmer, positiver Mensch, belesen, mit vielen Interessen und Qualitäten und einem beneidenswert breiten Freundeskreis. Der Schlemmermeyer ist ein großer, drahtiger Kerl, ein Bergfex, Skilehrer und Segler, Gitarren- und Zitherspieler. Einer, der das Dasein auf unspektakuläre Weise, aber souverän in vielen Facetten genießt – fast ein Lebenskünstler.

mehr …

Schnee von gestern


Warum Schnee aus der Vergangenheit einen so schlechten Ruf hat, ist mir unverständlich. Denn gerade, wenn man zu wenig davon hat, sind Fotos von glitzernden Schneelandschaften, sofern man sie selbst bewandert hat, im Nachhinein ein erbauliches Meditationsmedium. Hier also die Nachbilder eines Spaziergangs am Jahresende. Ob's chronologisch stimmt oder nicht – zwischen die letzten Beiträge und dem folgenden gehört genau diese bayrisch surreale Idylle.

mehr …

„Die geheimen Verführer“

Taschenbuchausgabe von 1980


Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, so bin ich mit der Vorstellung sozialisiert worden, dass Werbung ein schmutziges Geschäft ist – was vielleicht etwas mit dem damals schon populären Werk von Vance Packard zu tun hat. Wenn eine Lehrkraft sich auf einen ideologischen Diskurs einließ, war schnell von Manipulation die Rede. Besonders im Kunstunterricht wurde das angeprangert, Frau Tuschinsky warnte uns vor der Gehirnwäsche einer gewissenlosen Konsumgüterindustrie, die uns zu willenlosen Konsumenten abzurichten drohe. Konsumterror und so weiter, das übliche Mantra der Achtundsechziger. Gemessen an dem, was sich heute in den sozialen Medien abspielt, waren die Werbeslogans der Siebziger von geradezu erbärmlicher Harmlosigkeit.

mehr …

Propaganda – Teil 3: Die vertrauten Verführer


Kommunikationsexperten aus der Praxis werden in der Regel von ihren wissenschaftlichen Kollegen unterschätzt. Das ist sehr wahrscheinlich auch ein Grund dafür, dass so ein Edward Bernays jahrzehntelang nahezu unbehelligt arbeiten konnte. Werbe- und PR-Heinis nimmt man ja nicht wirklich ernst.

Die meisten Leute sind überzeugt davon, selbst überwiegend rational veranlagt zu sein, abgesehen von etwas Laissez-faire im Urlaub oder am Wochenende. Kaum jemand teilt unsere Erfahrungen als Designer, dass eigentlich alle Entscheidungen eines Menschen im Ansatz emotional sind. Diese Einschätzung wird oft mit Stirnrunzeln quittiert. Aber plötzlich und unerwartet geht das kollektive Kalkül nicht mehr auf, es gibt unvernünftige Massenphänomene im Allgemeinen und beschämende Wahlergebnisse im Besonderen. Dann sind in Talk-Shows auf einmal alle schlauer und werfen sich Prozentwerte an den Kopf: 70 % Emotion zu 30 % Information – entscheidet so das Wahlvolk?

mehr …