Weizenfeld mit Kornblumen

Weizenfeld bei Auing


Es gibt herausragende Künstlertypen, die einen jungen Menschen überhaupt erst in das Künstlerische hineinziehen, sodass man erkennt, was einen wirklich ernsthaft interessiert und für sich beschließt, dass Kunst im weitesten Sinn ein größeres Thema im Leben sein soll. So ging's mir mit van Gogh, alias Kirk Douglas, hollywood-episch und in Technicolor. Nicht zu vergessen die Romanbiografie von Irving Stone, ein Taschenbuch, das zerlesen im Regal verstaubt, bis sie sich unser Ältester dann mal als Bahnlektüre in den Rucksack steckt. So vererben sich Hirngespinste.

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Rolandseck – Arp Museum

Sabine im Arp Museum


Mit der Heimat ist das so eine Sache – wenn man nach einiger Zeit mal zurückkommt, weiß man gar nicht mehr so richtig, warum man überhaupt weggegangen ist. Und nach ein paar Tagen reist man auch gerne wieder in die sogenannte zweite Heimat zurück. Wer im Rheinland aufgewachsen ist und in Bayern lebt, kann mit dem Alleinanspruch der Bajuwaren auf Landschaftsidylle nicht viel anfangen, denn der Mittelrhein ist per se zauberhaft genug.

Und das findet dann in der Inszenierung der Hochzeit meines Neffen auch seinen Ausdruck. So mitten in den Weinbergen, bei traumhaft schönem Wetter, mit Blick auf den Petersberg oberhalb und aufs Dorf unten, und ganz unten „fließet der Rhein“. Die Tage zuvor wandern Sabine und ich allein im Siebengebirge, bei glühender Hitze, doch stets im waldigen Schatten. Alles hier ist nun mal eine Spur sanfter, lieblicher, melodiöser vielleicht, die Berge sind aus bayrischer Sicht nur Hügel, einfach nur malerisch, wie von Nazarenern gepinselt … Und der Blick aus 300 Metern Höhe reicht mir völlig, vor allem macht er mir keine Angst. Ein paar lichte Wohlfühltage nach düsteren Erfahrungen.

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„Nebel Leben“

Innehalten im Nebel – Besucherin mit iPhone


Über das Haus der Kunst in München hege ich einen tiefen Argwohn, da bin ich wohl nicht der Einzige. Mag aber auch sein, dass Andere den gruseligen Nazitempel regelrecht imposant finden. Das wuchtige Raumangebot eignet sich ja besonders für Künstler*innen mit großer Wasserverdrängung, also Herrschaften, die viel Platz gewohnt sind. Wie beispielsweise die altehrwürdige japanische Künstlerin Fujiko Nakaya, zu deren Lobpreisung man aktuell das halbe Haus der Kunst leergefegt hat. Vielleicht können ihre flüchtigen Schwaden dieser seelenlosen Architektur ja wieder etwas Leben einhauchen. Und womöglich ist das Palindrom des Ausstellungstitels auch so gemeint.

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Hania Rani – Home

Freitag der 13. im Bosco, Gauting


Manche Menschen maulen gerne mal am Fernsehprogramm rum, aber ich finde da ganz oft Beiträge, die sich wirklich lohnen. Hania Rani hätte ich wohl nie entdeckt, wenn nicht in der arte-Mediathek: „Piano Day“ am 1. März in der Pariser Sorbonne. Beeindruckend, wie virtuos die junge Dame da ihr im Halbkreis aufgebautes Instrumentarium bedient: Klavier, Flügel, Fender-Rhodes und Synthesizer. Gleich mal auf der Website nach den Tourdaten der jungen Künstlerin geschaut, die augenscheinlich auf dem ganzen Globus präsent ist, aber nicht in München – kurioserweise tatsächlich im Nachbarort Gauting. Einen Tag vor ihrem Konzert in der Elbphilharmonie bespielt sie also die Vorstadtprovinz? Dort muss wohl ein gut vernetzter Kulturmensch residieren. Der eher kleine Konzertsaal ist recht professionell ausgestattet, die Akustik ganz passabel. Erwartungsgemäß ausverkauft.

So kommen ich zu einem feinen Abschluss meiner Geburtstagswoche – ein Abend mit Klangzauber und viel Bühnennebel – Letzteres für die Räumlichkeiten etwas überdosiert. Die Atmosphäre ist dafür fast so intim wie im Jazzclub. Wunderbar, so nah dran zu sein.

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otl aicher, jahrgang '22

Original- Eintrittskarte der Olympiade '72


Heute wäre Otl Aicher 100 Jahre geworden. Da dieses Jahr die Münchner Olympiade ebenso ihr 50-Jahre-Jubiläum feiert, lässt sich leicht ausrechnen, dass Aicher im Jahr 1972 als künstlerischer Leiter dieses sportlichen Großereignisses, zuvor noch seinen Fünfzigsten feiert. Er und sein Team schaffen ein beeindruckendes Gesamtkonzept, beispielhaft für die neue „Visuelle Kommunikation“, ein ganz moderner Begriff in den Siebzigern. Toll, wenn nun einige Plakate im Nachdruck erhältlich sind, ich bin aber froh, mir vor langer Zeit ein paar Originale beschafft zu haben. Deren Anblick freut mich jeden Tag wenn ich ins Büro komme. Manchmal werde ich gefragt, ob das meine Arbeiten sind, dann verweise ich kleinlaut aufs Datum im Logo – da war ich gerade mal fünfzehn.

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Superhelden – Comics als Therapie?

Wastl Band 7 – 90 Pfennig


Comics sind eigentlich nicht so mein Fall. Die waren in unserer Kindheit ohnehin verpönt, aber auch nicht so explizit verboten, dass sie dadurch besonders begehrlich gewesen wären. Aus dem obligaten Asterixlesen bin ich nach Goscinnys Ableben ausgestiegen. Jetzt werden die allerneuesten Bände in der Süddeutschen Zeitung derart bejubelt, dass ich darauf reinfalle, mir ein Heft kaufe und es gleich wieder bereue. Seltsam auch, dass sich ein Genre wie die Graphic-Novel so im Zeitgeist etabliert hat. Als Designer und Illustrator sollte mir das allerdings gefallen. Tut's auch, aber hoffentlich verdienen die Berufskolleg*innen was dran. Ich habe da so meine Zweifel.

Wie auch immer, neulich sehe ich auf arte eine Doku über Hergé und dann reden wir im Freundeskreis über all den Kram, der damals hierzulande als Schund gilt und zeitgleich im belgisch-französischen Ausland schon längst gefeiert wird. Die Gedanken an kindische Zeiten mit „Wastl“-Heften tun mir gut und mein düsteres Gemüt hellt sich etwas auf.

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Calligraffiti in dunklen Zeiten

Erster Versuch einer Neunjährigen


Wenn man erwachsene Kinder hat, ist die Erinnerung an Kindergeburtstage ganz weit weg. Dass solche Events aber auf die Kondition gehen, weiß man noch. Allein die Geräuschkulisse verlangt eine gewisse „Resilienz“, wie man heute sagt. Wenn sich nun ein Kalligrafie-Workshop mit dem Format Kindergeburtstag kreuzt, ist die oben genannte Münchner Ferienfreizeit mit 9 bis 11-Jährigen ganz gut beschrieben. Die acht Stunden werden mit Spielpausen, beaufsichtigt durch Betreuer*innen, aufgelockert. Es ist lustig, überraschend, lehrreich, anstrengend und auch anrührend.

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Das Eismeer †

Bildquelle Wikimedia Commons


In der späten Kindheit des Malers Friedrich gibt es jene tragische Episode, die als Schlüsselereignis gilt: Als der 13-jährige Caspar David im Winter beim Schlittschuhlaufen ins Eis einbricht, rettet ihn sein jüngerer Bruder, zieht ihn aus dem eisigen Wasser, rutscht dabei selbst hinein und ertrinkt. Der Überlebende wird die Bilder dieses schicksalhaften Wechselspiels nie wieder los.

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Vom Zauber der Erkenntnis

Fotovorlage: AdobeStock


„Es gibt nicht eine Welt, es gibt nicht eine Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit ist durchlässig wie eine dünne Eisdecke. Wir können durchrutschen in die Katastrophe oder zu den glücklichen Zwergen, die sozusagen andere Gesetze haben.“ – Alexander Kluge, Filmemacher


Wie man in eine Katastrophe durchrutschen kann, müssen wir hier nicht ergründen. Haben wir die letzten beiden Jahre allesamt, wenn auch individuell sehr verschieden, erleben können. Also gleich weiterschlittern zu den glücklichen Zwergen! Was nun keinesfalls ironisch abwertend gemeint ist, sondern mit allem romantischen Respekt vor Menschen mit einsamer Mission.

Einer dieser bemerkenswerten, stillen und etwas kauzigen Menschen ist Wilson Bentley, ein Farmer aus dem kleinen Örtchen Jericho in den Vereinigten Staaten von Amerika, der schon als junger Mann in seiner Scheune einer seltsamen Leidenschaft nachgeht. Der „Snowflake Man“ beschäftigt sich in seiner gesamten Freizeit mit dem Fotografieren von Schneekristallen, was Ende des 19. Jahrhunderts reichlich schräg und zudem technisch ein Ding der Unmöglichkeit ist. Als es dem 20-jährigen Wilson dann am 15. Januar 1885 zum ersten mal gelingt mit seiner Eigenkonstruktion aus Plattenkamera und Mikroskop ein einzelnes Schneekristall festzuhalten, ist er mit seinen Glücksgefühlen völlig allein auf der Welt. Denn seine sozialen Kontakte sind dürftig – bis auf etwas Klarinette spielen im dörflichen Musikverein – und Schnee an sich ist nicht sonderlich beliebt bei den übrigen Milchbauern.

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Albrecht, das Flüchtlingskind

Der berühmteste Sohn der Stadt


Die Öffnungszeiten des Dürerhauses sind etwas knapp bemessen, wenn man auf der Rückfahrt aus dem Rheinland und nach Staumeldungen spontan einen Abstecher nach Nürnberg macht, weil das Wetter so schön ist. So stehen wir also ausgerechnet hier vor verschlossenen Riegeln, obwohl der Hausherr im Familienwappen¹ zwei geöffnete Türflügel führt. Omen est nomen, denn der aus Ungarn eingewanderte Papa – auf der Flucht vor osmanischen Repressalien – stammt aus einem Dorf namens Ajtó, was auf Deutsch Tür heißt und ihm den Familiennamen Thürer einbringt, den man in Franken natürlich möglichst weich ausspricht, denn ein T gibds ned im frängischen Alwabed. Vater und erster überlebender Sohn heißen Albrecht, der Jüngere wird der größte deutsche Künstler aller Zeiten. Stolze Leistung für ein Flüchtlingskind, aus heutiger Sicht ein wahres Integrationswunder.

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