Schön ist die Jugend


Der Maler und Grafiker Heinrich Vogeler (1872-1942) ist eine tragische Person und irgendwie auch eine Symbolfigur des Jugendstils, von den rauen Winden des neuen Jahrhunderts verweht. Die Zeichnungen des Illustrators begegnen mir früh in den liebevoll aufgemachten Publikationen des Inselverlages. Im Gegensatz zu seiner etwas betulichen Malerei ist seine Grafik ganz im Sinne der britischen Arts and Crafts, locker und elegant, mit klarer, auch verschwenderischer Linienführung, dem jung verstorbenen Engländer Beardsley fast ebenbürtig. Vogeler führt als reicher, junger Mann und Familienvater im Worpsweder Künstlerdorf ein Leben wie im Bilderbuch. Gestaltet die aufwändigsten Bücher, Möbel, Dinge des kunstgewerblichen Alltags, Tapeten, Schnickschnack, alles was das Herz entzückt. Ein Leben für die schöne Form. Bis ihn Zweifel an seinem Talent und seiner elitären gesellschaftliche Stellung in die Lebenskrise driften lassen. Letztlich werden ihn der Erste Weltkrieg und die Trostlosigkeit der sozialen Frage zermürben. Der Sozialist stirbt in Armut und Elend in einer Kolchose in Kasachstan. Sein Grab ist unbekannt.

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Und ruhig fließt der Rhein

Blick vom Drachenfels auf Nonnenwerth


Die Dinge bestimmen unser Verhältnis zur Welt. Der Mensch definiert sich radikal neu, seit er sein Leben nicht mehr nach dem natürlichen Licht, sondern nach einem Ding wie der Uhr ausrichtet. Zudem markiert der Entwicklungsstand von Technik und Medien eine emotionale Trennlinie zwischen den Generationen. Man mag sich noch so digital-logisch bemühen, ist der Antrieb dem Geburtsjahr zufolge analog-sozial-romantisch, wie in meinem Fall, dann bleibt er auch so. Aus meiner glücklichen Kindheit wirken darum zwei Dinge nostalgisch nach. Das ist zum einen ein warmtönendes Radio und zum anderen eine Küchenuhr mit ihrer eigenen Darstellung vom Lauf der Zeit.

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Bauhaus 1919 – Gedanken zum Jubiläum


Engagierte Kunstschulen, vor allem solche, die das gesamte Spektrum des Designs, das Kunstgewerbe und die Architektur mit einbeziehen, haben für mich etwas sehr Friedvolles und Glückverheißendes. Eine goldene Zukunft erwartet die Gesellschaft, die sich ein solches Experimentierfeld leistet und vermeintlich nichtsnutzigen Menschen das Vertrauen schenkt, sich um die Vernetzung von Volkswirtschaft und Kultur zu kümmern. Eine Zukunft der gegenseitigen Wertschätzung und Besinnung auf die Schönheit des Lebens, meist als Rück-Besinnung auf die zuvor selbst und leichtfertig zerstörte eigene Hochkultur. Nicht selten, dass solche „Musentempel“ nach überlebten Kriegstraumata gegründet werden, wie das Bauhaus in Weimar nach dem Ersten Weltkrieg oder die Ulmer Hochschule für Gestaltung nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Die Welt von oben gesehen

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„Wenn der liebe Gott sich im Himmel langweilt, dann öffnet er das Fenster und betrachtet die Boulevards von Paris.“ Heinrich Heine, 1832 – für die Augsburger Allgemeine


Der Blick aus dem Fenster auf die Geschäftigkeit der Anderen gehört den Neugierigen, den Tagträumern oder Tagedieben. Es ist die Perspektive des Künstlers, der schon wieder mal vier Stunden später aufgestanden ist als die übrigen Zeitgenossen. So stellt auch Louis Daguerre eines schönen Tages seinen Holzkasten auf die Fensterbank, macht den Objektivdeckel ab und lässt den Dingen seinen Lauf. Dass im Ergebnis, außer den Immobilien, nichts auf der Glasplatte übrig bleibt, ist die eigentliche Ironie der Zeit oder besser der Zeitkonstante. Weniger geheimnisvoll formuliert, es ist die Belichtungszeit, die das Wesentliche verschluckt und das Nebensächliche konserviert. Nur der stoisch vor sich hin werkelnde Schuhputzer und sein geduldiger Kunde werden im Kontinuum eingefangen, alle Anderen sind dem Fotokünstler davongehuscht.

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Deutschland ohne Sommermärchen


In der Nacht an Deutschland zu denken, bringt einen ja bekanntlich um den Schlaf. Wie tröstlich, Freunde zu haben, die einen frühmorgens erheitern, noch dazu, wenn sie zwei Karten fürs Stadion haben. Weltmeister Frankreich trifft auf Looser Germany. Kein Freundschaftsspiel – das gab’s vielleicht früher mal. Die neueste Erfindung heißt Nations-League. Nun gut, nicht gleich wieder negativ werden!

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1648 – Lang erhoffte Friedenstaube

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Fünf Jahre schließlich dauert der Kongress zu Münster und Osnabrück. Im Ergebnis wird der Westfälische Frieden die maßgebliche diplomatische Referenz für alle späteren Konflikte in Europa. Selbst aus heutiger Sicht ist der Vertragsumfang monströs und detailverrückt. Da fällt einem spontan die Stammtisch-Parole von der europäischen Überregulierung ein. Ein absurder, aber immer wiederkehrender Vorwurf an ein normales Vertragsgefüge. Denn wie bitte sollen alle Interessen gewahrt werden, wenn man sie nicht glasklar definiert und verbindlich aufschreibt? Die so flapsig geforderte Großzügigkeit beim Abfassen von Verbindlichkeiten bezieht sich auch meist auf die Interessen der Anderen. Die eigenen Anliegen dagegen hat man gerne ausführlich getextet, in Schwarz auf Weiß, um sie getrost nach Hause zu tragen. Die Forderung nach simplen Konzepten zeugt vom Unverständnis für das komplizierte zivile Leben – wenngleich die ein oder andere Unternehmensberatung genau das vorschlagen würde. Im Falle des Westfälischen Friedens ist auch leider keine win-win-Situation mehr drin.

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1633 – C'est la guerre! Jacques Callot

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Ein Achselzucken, eine Redewendung: so ist der Krieg! Das Volk sieht keine Chance dem Schicksal zu entgehen. Man muss sein Kreuz tragen, alles ist Fügung, Gott will es!

Da hatte man sich in der Renaissance einen progressiven Humanismus und eine strahlende Zukunft erwartet und jetzt diese deprimierende Rückschläge! Selbst die Natur hat sich gegen Mensch und Tier verschworen, stürzt Europa in die Klimakatastrophe der „Kleinen Eiszeit“, bringt Missernten, Kälte und Hunger und die Religionen sind bei allem kein Trost, sondern das noch größere Übel. Im Grunde kann die Renaissance nicht die große wissenschaftliche Zeitenwende gewesen sein. Denn selbst im Barock beschwört der Klerus mit aller Macht das längst widerlegte ptolemäische Weltbild. Die Sonne dreht sich um die Erde, der Himmel hat sich verdunkelt, Galilei hat Hausarrest. – Weil Gott es so will?

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1618 – Von Rauch und starken Winden

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Im laufenden Jahr 2018 gibt’s nicht wirklich viel feiern. Ein Jahr wie gemacht für posttraumatisch belastende Jubiläen und eine kleine Zeitreise zurück zum mutmaßlichen Ursprung aller deutschen Paranoia – auf den Tag genau vor 400 Jahren beginnt in Böhmen der Dreißigjährige Krieg. Manch einer sucht und findet darin einen genetischen Grund für die dunkle Seite des deutschen Gemüts, die Verzagtheit und Zwanghaftigkeit, das Misstrauen gegenüber lebensfrohen Völkern, das mitunter erbärmliche Temperament zwischen Überschätzung und Minderwertigkeitskomplex. Woher sonst rührt die German Angst, wenn nicht aus dieser schweren frühen Kindheit?

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Zefixhalleluja!

Auf dem Ilsenstein


O Zeit der Zeichen und Symbole und leeren Verheißungen! Wenn es kein Geld gibt, werden blecherne Orden verliehen und wenn der Feind an den Grenzen lauert, gibt das Volk sein Gold für Eisen. Nun sammelt sich das bayerische Kabinett zum kleinen Kreuzzug für die absolute Mehrheit und zeigt allen Ungläubigen die Werkzeuge. Zur Kreuzigung? Bitte ins nächste Dienstgebäude – jeder nur ein Kreuz!

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Ein merkwürdiges Gerücht

Thumbnail Webermuseum


In wissenschaftlichen Kreisen hält sich das Gerücht, der Mensch sei mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen. Wir aber wissen, dass alles, tatsächlich ALLES, immer nur von subjektiven Gefühlen abhängt.

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