Rückzug ins Private?


Am Anfang des Jahres fragt man sich – angesichts der Umstände in letzter Zeit – ob man alles richtig gemacht hat? Vor allem, inwieweit taugt die Privatsphäre für das eigene Berufsleben? Nach vielen Jahren in einer Ateliergemeinschaft ist der Umzug ins Wohnatelier durchaus ein Experiment. Von allen Optionen, die sich mir anboten, war dies jedoch die flexibelste Variante und deshalb auch die reversibelste – getreu meinem Lieblingskriterium bei Restzweifeln: aus welcher Nummer kommt man am ehesten wieder raus? Das Bedürfnis nach absoluter Ungestörtheit, speziell für konzeptionelle Arbeiten, die wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Münchner Mietmarkt und der weitgehende Verzicht aufs Autofahren, waren die entscheidenden Pluspunkte.

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Weihnachtspost mit Briefgeheimnis

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„Mir ist lieber, in einer von Geheimnissen umgebenen
Welt zu leben, als in einer, die so klein ist, dass mein Verstand sie begreift.“

Ralph Waldo Emerson (1803-1882)


Niemand kann die Stille so gefühlvoll festhalten wie Jan Vermeer van Delft. Seine Malerei inszeniert den vollkommenen Augenblick, in dem alles perfekt am richtigen Platz ist. Stimmungsbilder, so unergründlich wie die menschliche Psyche. Die „Frau mit Waage“ ist auf den ersten Blick ein sauber komponiertes Innenleben und bei näherer Betrachtung doch ein Mysterium. Völlig unklar, was sie da eigentlich aufwiegt, vielleicht Perlen oder Goldmünzen. In Wahrheit sieht man auf den feinen, austarierten Waagschalen – eher nichts. Was aber ist nun das bedeutungsvolle Unsichtbare?

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Servus Neuhausen*


Wenn man für längere Zeit ruhig ist, liegt das daran, dass man entweder in Arbeit versinkt oder gemischte Gefühle hat. Manchmal ist es auch eine Kombination aus beidem. Dass sich ein gewaltiges Kapitel zuschlägt, wird mir erst wirklich bewusst, als der Möbelwagen auf den Hof rollt. Knapp drei Jahrzehnte Ateliergemeinschaft lösen sich dann tatsächlich einfach so auf. Drei Stunden Beladezeit, Klappe zu.

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Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern


Wenn die Medien mal wieder nicht wissen, was sie machen sollen, wird das alte ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-Spielchen bemüht und heraus kommt eine dieser belanglosen Chartlisten. Aus diesem Larifari-Gemüt heraus hat die englische Daily Mail einmal mehr die Bundesliga auf dem Kieker und abschließend befunden, dass der HSV das hässlichste Logo der Welt hat. Das finde ich gemein, denn die Hamburger haben seit einigen Jahren wirklich Wichtigeres zu tun, als sich mit ihrem Grafikdesign zu beschäftigen. Und ganz abgesehen davon, dass mir persönlich die blaugefärbten Fußballvereine nicht besonders nahe stehen, finde ich das HSV-Logo von allen Bundesligaclubs immer noch am schönsten. Null Ahnung, was wohl englischen Sportjournalisten gefallen könnte. Möglicherweise will man das auch gar nicht wissen.

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Die Gedanken sind frei

Schaukel vor Zugspitzpanorama


Kommunikationsdesign heißt unter anderem so, weil dabei ziemlich viel geredet wird. Manchmal so viel, dass dem Individuum die Sicht auf das Wesentliche vernebelt wird. Besonders dann, wenn jeder auf seiner Denkspur als erster ins Ziel kommen will. Im Disput dominiert die Schlagfertigkeit. Wer die Kunst der Rhetorik oder gar der Polemik bemüht, sucht allerdings nicht zwingend nach der Wahrheit, sondern nach Bestätigung. Soll heißen: es schadet nicht, wenn man sich in wörtlicher Rede behaupten kann, solange man damit nicht die eigene Sturheit fördert.

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Alles so schön bunt hier!


Frohe Ostern erst mal! Und damit zu der Sache mit den Buntstiften. Wobei ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich dieses Gesellschaftsphänomen, das ja unzweifelhaft unser Metier betrifft, überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Jetzt überrascht mich die SZ damit, dass der neue Trend „Malbücher für Erwachsene“ seit einiger Zeit die Hersteller von Buntstiften zu Überstunden zwingt. Ich mag zwar Buntstifte und deren Hersteller, aber leider ist die subtile Botschaft dahinter für mich mal wieder Anlass genug in einen sanften Kulturpessimismus abzudriften. Haben wir in unserer Erziehungsparanoia das Kinderzimmer mittlerweile so weit unter Kontrolle, dass wir uns als Doppelagenten vor lauter Langeweile selbst umdrehen?

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Mein Name ist Hase


Kommunikationsdesign ist ein weites Feld und eines der größten Privilegien ist die ungenierte Freiheit mit der dieser Beruf ausgeübt werden kann. Wer fragt uns schon nach Zeugnissen, Diplomen oder Titeln? Gutes Design erkennt man auch ohne akademische Vorzeichen, Quereinsteiger machen unverkrampft Karriere, ohne die höheren Weihen irgendeines Studiums. Dem konservativen Akademiker stehen bei so was die Haare zu Berge. Verständlich, denn er hat sich bienenfleißig und ernsthaft qualifizieren müssen. Kann dann aber eine amtliche Beglaubigung seiner Qualitäten vorweisen und deshalb bereits im Vorfeld die angemessene Ehrerbietung erwarten. Sofern ihm nicht eine maliziöse Expertenkommission diese Ehre wieder abschneidet.

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Spaziergang in der Silvesternacht


Es fängt romantisch an mit der „Feuerzangenbowle“ in der Komödie im Bayerischen Hof und endet pragmatisch mit dem unfreiwillig langen Fußweg vom falschen S-Bahnhof nach Hause, „wegen eines Polizeieinsatzes“. Bis zum nächsten Morgen ein surrealer Nebeldunst, zum Glück kein realer Terror. Also lieber noch mal in Gedanken zurück in die Komödie, amüsant und unbeschwert und mindestens doppelt so positiv wie die Wirklichkeit. Oder, wie Heinrich Spoerl es anders herum in seinem Roman ausdrückt, „es ist im Leben alles nur halb so schlimm – und halb so schön.“ Gegenüber Buch und Film verzichtet das Theaterstück auf die sentimentale Schlusspointe des Originals. Hätte mir zum Jahresabschluss aber gefallen:

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Das Leben, das Universum und der ganze Rest

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„Seltsam sei es und ungerecht, sagte Gauß, so recht ein Beispiel für die erbärmliche Zufälligkeit der Existenz, dass man in einer bestimmten Zeit geboren und in ihr verhaftet sei, ob man wolle oder nicht. Es verschaffe einem einen unziemlichen Vorteil vor der Vergangenheit und mache einen zum Clown der Zukunft.“ Daniel Kehlmann – Die Vermessung der Welt


Die wahre Eroberung und Vermessung der Welt beginnt bekanntermaßen mit der Renaissance. Gutenberg und Kolumbus schaffen die Werkzeuge und Grundlagen für ein Zeitalter des Aufbruchs, des Umdenkens, des wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritts. Und mittendrin sitzt Dürers melancholischer Engel, zugestellt mit dem Sammelsurium seines Erkenntnisapparats und scheint für den Moment etwas überfordert, nachdenklich, sich der ungeahnten Vielfalt bewusst, aber im Ergebnis reizüberflutet. „Melencolia I“ – mein Weihnachtsengel.

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Spec Work – alles für die Katz?


Um es noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen: sich auf massenhaft ausgeschriebene Wettbewerbe einzulassen oder für null Honorar zu pitchen hat nichts mit Sportsgeist oder gar Professionalität zu tun. Für Kreative ist es quasi ein bitteres Armutszeugnis, denn wenn nicht aus purer Not, warum sonst sollten sie so etwas tun. Der potenzielle Auftraggeber hingegen bedient sich schlicht eines unseriösen Schneeballprinzips.

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