Von Scheinwelten und tragenden Brücken

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Die Kraft der Zeichen und Symbole ist uns ständig bewusst, aber nie ganz geheuer. Wenn der Mensch keine klaren Fakten hat, dann will er orakeln, deuten und spekulieren. Allerdings empfinden wir im Ungewissen je nach persönlichem Temperament sehr unterschiedlich. Und damit ist die Welt der Symbolik variabel für diffuses Wunschdenken und Illusionen oder eben Sorgen und Ängste. Das kann man künstlerisch sublimieren oder werblich instrumentalisieren. Die Frage ist, wie weit unsereins das Spielchen treibt und ab wann man sich möglicherweise mehr Misstrauen und Ablehnung einhandelt, anstatt die gewünschte Aufmerksamkeit und Begeisterung zu erzielen.

Alle bildende Kunst bezieht aber nun mal ihre wesentliche Energie und Wirkung aus dieser Unschärfe und Vieldeutigkeit. Und wenn auch einiges davon ins nützliche Grafikdesign einfließt, so bleibt das andererseits auch immer ein Kommunikationsproblem. Exemplarisch für dieses seltsame Kulturerbe ist die Kunstströmung des Symbolismus im ausgehenden 19. Jahrhundert. Seine Wirkstoffe können als Zutat im Design den Ausschlag geben, ob es gute Werbung oder schlechte Unternehmenskommunikation wird.


Die Künstler des Jugendstils und insbesondere darunter die Symbolisten, sind tiefsinnige bis schwermütige Bohemiens, ihre Bilder eine Melange aus entrückter Pose, schwüler Erotik und dem üblichen Elfengedöns. So ist ihr Werkzeugkasten mit seinem theatralischen Instrumentarium wie geschaffen für die in dieser Zeit aufkommende Reklame. Der Symbolismus setzt auf den Effekt, die Irritation, die Übertreibung, ist fantastisch, unwirklich, spirituell. Und hat einen nachhaltigen Einfluss auf unser heutiges Grafikdesign. Ganz andere ästhetische Ideale entstehen zur selben Zeit, teils auch deutlich früher, in Architektur und Technik. Dort zählen reale, konstruktive, industrielle Vorgaben. Die Ingenieurskunst verlangt, dass etwas wirklich funktioniert – und die Form folgt der Funktion.

Die Scheinwelt der Werbung findet im Symbolismus brauchbare Requisiten. Corporate Design dagegen kann mit dem Krempel meist nichts anfangen. Das hört sich diskreditierender an, als es gemeint ist. Denn unbestreitbar ist im Aufgabenbereich manipulativer Strategien einiges vom Symbolismus zu lernen. Heikel wird es, wenn sich Unternehmen in ihrem Initialisierungs-Tiefgang dann gerne mal selbst auf den Leim gehen. In einer vom Symbolismus benebelten Atmosphäre wird die Vernunft nämlich unweigerlich eingetrübt.

Das kann Firmen passieren, wenn sie mit esoterischer Inbrunst an ihrem neuen Image feilen und sich auf ein obskures Marken-Rollout einschwören. Wer da keinen seriösen Styleguide im wahrsten Sinne des Wortes hat, kann sich auf der Suche nach sich selbst und der verlorenen Zeit gehörig verlaufen.


Jede kernige Firma arbeitet grundsätzlich zuerst an ihrer Qualität und kommuniziert diese nach außen über ein zeitgemäßes Corporate Design. Dass Unternehmen verkörpert also seinen Anspruch. Und denkt sich nicht einfach eine Hand voll Adjektive aus um sich besser zu fühlen. Corporate Design baut Brücken und keine Luftschlösser.

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